Nadine Maurmaier aus dem Leonberger Teilort Höfingen macht ein Praktikum in einem Kinderheim in Nepal. Dort hat sie zusammen mit 44 Kindern das Weihnachtsfest gefeiert.

Leonberg/Kathmandu - Die ganze Welt ist von Weihnachtsbäumen, Christstollen und Geschenken besetzt. Die ganze Welt? „Nee, nee“, sagt Nadine Maurmaier und lacht, „hier wissen die Leute nicht viel über das christliche Weihnachtsfest. Und feiern tun sie das erst recht nicht.“

 

Nadine Maurmaier sitzt 6500 Kilometer von Leonberg entfernt in Kathmandu, der Hauptstadt der kleinen Himalaja-Republik Nepal. Seit August macht sie dort ein Praktikum in einem Kinderheim. Wir erreichen sie per Internettelefon in ihrem kleinen Zimmer, das sie sich mit vier weiteren deutschen Praktikanten teilt. „Es geht mir supergut hier, alles ist wunderschön“, sagt sie und strahlt. Sie hat Feierabend, ihre 44 Kinder, die sie betreut, sind im Bett. Und träumen jetzt wahrscheinlich von ihren Geschenken, von „Jingle Bells“ und von Maria und Josef.

„Ja, wir fünf Praktikanten haben mit den Kindern auch Weihnachten gefeiert“, erzählt Nadine Maurmaier. Nur ein Prozent der Nepalesen sind Christen, über 80 Prozent dagegen Hindus, verrät die Statistik. „Der 25. Dezember ist zwar hier auch ein Feiertag, aber warum sie frei haben, wissen die Menschen überhaupt nicht“, hat Nadine Maurmaier festgestellt. Nepals Jugend nutzt den freien Tag dann, um Discos und Bars zu stürmen. „Mit besinnlichen Weihnachten wie in Europa hat das nichts zu tun“, sagt sie. Im „Haus der Hoffnung“, dem Waisenhaus in Kathmandu, wollte sie das zusammen mit ihren deutschen Mitstreitern ändern. „Wir haben mit den Kindern ein richtiges Krippenspiel aufgeführt“, erzählt Nadine Maurmaier.

Die Weihnachtsgeschichte in englischer Sprache

Die kleinen Knirpse bekommen die biblische Weihnachtsgeschichte in englischer Sprache. Diese mussten sie dann vorlesen und vorspielen. „Uns ist aber wichtig, dass wir die Nepalesen auf keinen Fall missionieren wollen“, sagt Nadine Maurmaier. „Wir wollen ihnen unsere Kultur zeigen, um so Toleranz gegenüber anderen Religionen zu stärken.“

Dazu gehören dann auch Weihnachtslieder. „Rudolf, the Rednosed Reindeer“ und „We Wish You a Merry Christmas“ können die 44 nepalesischen Kinder, die Nadine Maurmaier betreut, jetzt aus dem Effeff. „Wir singen auch sonst sehr viel hier“, erzählt sie. „Da lernen die Kinder dann besser Englisch.“ Zum Beispiel jeden morgen nach dem Frühstück, bei dem es Reis mit Linsen und Gemüse gibt.

Vor fünf Monaten ist Nadine Maurmaier von Höfingen aus nach Nepal gestartet, und ebenso lange wird sie noch dort bleiben. Halbzeit also. Und an das deftige Frühstück hat sie sich mittlerweile ebenso gewöhnt wie an den Tagesablauf. „Die Kinder stehen jeden Morgen um 4 Uhr schon auf“, sagt sie. „Dann machen sie Morgensport, Hausaufgaben, und wir Praktikanten geben den schwächeren Schülern Nachhilfe.“

Da leistet Nadine Maurmaier dann wertvolle Entwicklungshilfe im Haus der Hoffnung. Das hat die Schwäbisch Gmünderin Ellen Dietrich vor zwölf Jahren gegründet. „Nepal ist ein kleines, kulturell sehr wertvolles Land mit unheimlich freundlichen Menschen“, sagt sie. „Denen zu helfen, macht einfach Freude.“ 84 Kinder zwischen drei und 21 Jahren, die Voll- oder Halbwaisen sind oder aus armen Familien stammen, leben heute im Haus der Hoffnung. „Dass mein kleines Projekt mal so groß werden würde, hätte ich nie gedacht“, schmunzelt Ellen Dietrich. Früher war sie Personalreferentin beim Regierungspräsidium Stuttgart und als solche auch für das Leonberger Albert-Schweitzer-Gymnasium zuständig. Und dort traf sie auf den Schulleiter Klaus Nowotzin, der ein soziales Projekt für seine Schule suchte. „Wir sind ein sehr kleiner Verein, bei dem wenig Verwaltungskosten anfallen. Das heißt, die Spenden der Schüler kommen direkt in Nepal an“, erklärt Ellen Dietrich.

Aber nicht nur Geld, auch zwei ehemalige Schülerinnen vom ASG haben sich schon aufgemacht, um bei einem zehnmonatigen Praktikum selbst mit anzupacken. So wie Nadine Maurmaier. Sie ist auch ganz begeistert von den Nepalesen. „Vor ein paar Wochen haben wir einen Ausflug zu einer abgelegenen Dorfschule gemacht“, erzählt sie. „Aber fünf von sieben Tagen haben wir damit verbracht, von einem Haus ins nächste eingeladen zu werden.“ Essen noch und nöcher gab es da in dieser einfachen, bäuerlichen Umgebung.

Fleisch gibt es nur bei großen Festen

„Zweimal am Tag gibt es Reis mit Linsen und Gemüse“, sagt die 19-Jährige. „Und nur an den großen Festen gibt es ein geschlachtetes Tier dazu.“ Zum Beispiel an Diwali, dem hinduistischen Lichterfest. „Allerdings ist da kurz zuvor die Großmutter hier im Haus gestorben“, erzählt Nadine Maurmaier. „Und da darf man dann ein Jahr lang nicht feiern.“ Trotzdem haben die Kinder, ihre Betreuer und die deutschen Praktikanten eine Ziege geschlachtet und gefestet. „Die Hindus haben überall Lichterketten aufgehängt. Das war dann ein bisschen wie bei uns an Weihnachten.“

Nun kennen die Kinder also beides – Diwali und das christliche Weihnachten. Sogar kleine Geschenke haben die deutschen Praktikanten für ihre nepalesischen Schützlinge gebastelt. „Sie haben kleine Kuscheltiere bekommen“, erzählt sie. Für Nadine Maurmaier war es nicht ganz so schlimm, nicht daheim zu sein, auch wenn Weihnachten für sie immer ein ganz besonderes Fest ist. „Das ist das einzige Fest, an dem meine drei großen Brüder gleichzeitig heim nach Höfingen kommen.“ Dafür kann sie dann im nächsten Jahr ganz viel erzählen, von leuchtenden Kinderaugen und ganz viel Reis mit Linsen.