Ein 45-Jähriger soll aus Eifersucht den neuen Freund seiner Ex erstochen haben. War Heimtücke im Spiel? Angeklagt ist Mann wegen Totschlags, verurteilt wird er vielleicht wegen Mordes. Der Prozess hat gerade begonnen.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Leonberg - Angeklagt ist der 45-Jährige wegen Totschlags, verurteilt wird möglicherweise wegen Mordes. Diesen Hinweis gab der vorsitzende Richter am Landgericht gleich zu Prozessbeginn. Denn vielleicht hat der Angeklagte aus Leonberg von hinten zugestochen, vielleicht hat er aus blankem Hass gehandelt und vielleicht nach Plan, so Richter Wolfgang Hahn. Wahlweise wären die Mordmerkmale „Heimtücke“ oder „niedrige Beweggründe“ erfüllt.

 

Dem 45 Jahre alte Mann aus Leonberg wird vorgeworfen, am 19. Mai 2013 den neuen Freund seiner ehemaligen Lebensgefährtin erstochen zu haben. Das Opfer erlitt neun Stiche, Herz und Lunge wurden zerfetzt. Der 48-Jährige starb noch am Tatort. „Er hat seinem Hass auf den Neuen freien Lauf gelassen“, so Staatsanwalt Matthias Schweizer. Bizarr ist der Umstand, dass der Täter mit dem Handy seines Opfers mehrere SMS an die Exfreundin geschrieben haben soll. Darin beschimpfte er sie und beendet ihre Beziehung im Namen des Toten.

Der Mann schweigt zu den Vorwürfen, räumt aber ein, dass seine Beziehung zu seiner Freundin in den vergangenen beiden Jahren problematisch gewesen sei. Der gelernte Maurer, der seit Jahren als Maschineneinsteller arbeitete, lernte seine Lebensgefährtin 2007 kennen. Mit ihr begann die erste feste Beziehung im Leben des Mannes. Anfang 2008 kam ihr gemeinsamer Sohn zur Welt und sie zogen zusammen. Seine Lebensgefährtin brachte schon vier Kinder mit aus „den drei kaputten Ehen davor“, wie die Frau im Zeugenstand berichtete.

Dass es zwischen den beiden von 2011 an nicht mehr gut lief, sei seine Schuld gewesen, räumt der Mann ein, „weil ich eifersüchtig war“. Richter Hahn wollte wissen, ob er Anlass dazu hatte. „Wenn ich heute zurückdenke“, so der 45-Jährige nachdenklich, „eigentlich nicht“. Die Beziehungsprobleme waren allem Anschein nach Ausdruck grundlegender Konflikte des Mannes. Zwischen 2010 und 2013 unternahm er nach eigener Auskunft drei Selbstmordversuche. Seither sei er in Behandlung und nehme Medikamente.

Die Lebensumstände seien zuletzt unerträglich gewesen. Der Angeklagte wohnte mit seiner Freundin, die sich getrennt hatte und seit Frühjahr 2013 offiziell einen neuen Freund hatte, in einer Wohnung. Mit den beiden Erwachsenen lebten der gemeinsame Sohn sowie die älteren Kinder der Frau mit in der knapp 100-Quadratmeter-Wohnung in Leonberg. Die Frau berichtete, in den beiden Wochen vor der Tat habe sie bei ihrem neuen Freund übernachtet. Morgens ging die Altenpflegerin nach Hause, um nach den Kindern zu sehen. Das sei auch an jenem Sonntag so gewesen. Ihr Exfreund habe noch im Bett gelegen, als sie ankam. Sie habe Dienst gehabt und sei Arbeiten gegangen. Wegen den bösen, verstörenden SMS vom Handy ihren Freundes, sei sie abends zu ihm geeilt und habe ihn in seinem Blut gefunden.

Im Zeugenstand hebt die Frau zu einem regelrechten Lamento an, bei dem sie kein gutes Haar an ihrem Ex lässt. Sie klagt über seine krankhafte Eifersucht, seine Faulheit, seine Unzuverlässigkeit. Der 45-Jährige habe sie geschlagen, mit anderen Frauen betrogen und finanziell ausgenutzt. Seinen Namen nimmt sie gar nicht in den Mund, spricht nur vom „Angeklagten“. Dieser vernimmt all das regungslos.

Seit Mittwoch weiß er, dass ihm lebenslängliche Haft droht, sollte ihm etwa nachgewiesen werden, dass er das arglose Opfer hinterrücks erstach. Die Tat wäre damit „heimtückisch“, erfüllte also jenes Mordmerkmal, weswegen der Mordparagraf aktuell auf den Prüfstand soll. Kritisiert wird, dass „Heimtücke“ eine moralische Kategorie sei und im Einzelfall zu ungerechten Entscheidungen führe. Die Nazis haben es 1941 eingeführt. Der Prozess am Landgericht wird am 18. Februar fortgesetzt.