Dass man Biomüll nicht nur kompostiert, sondern dabei gleichzeitig auch Strom produziert, gab es nicht allzu häufig.

Leonberg - Eigentlich beraten die Kreisräte im Umwelt- und Verkehrsausschuss eher nüchtern und sachlich. Applaus oder zustimmendes Auf-den-Tisch-Klopfen ist selten, und wenn, dann berechtigt. „Wir danken den 220 Feuerwehrkräften“, sagte Landrat Roland Bernhard (parteilos) am Montag unter Zustimmung der Kreispolitiker. „Vor allem die Feuerwehr Leonberg hat hervorragend agiert. Wir sind sehr stolz auf die ehrenamtlich getragene Feuerwehr.“

 

Zwei Wochen ist es jetzt her, dass die große Kreis-Vergärungsanlage beim Frauenkreuz in Flammen aufgegangen ist. Fast fünf Tage hatte der Rettungseinsatz daraufhin gedauert, Feuerwehren aus dem ganzen Landkreis halfen mit, dazu das Technische Hilfswerk und das Rote Kreuz. Und auch im Landratsamt musste man sich erst sortieren. „Das war ein Schlag in die Magengrube“, berichtete der Landrat von dem Moment, als er von dem Brand erfahren hat. Denn erst im Juni hatte Roland Bernhard mit seinem Esslinger Amtsbruder Heinz Eininger (CDU) vereinbart, die gemeinsame Kooperation zur Beseitigung des Biomülls zu vertiefen.

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Aus der Not eine Tugend machen

Eine „Bioabfallverwertungs GmbH“ hatten die beiden Landkreise dafür gegründet. Zehn Millionen Euro wollte man in die Vergärungsanlage Leonberg investieren, um dort fortan den Biomüll sowohl aus Böblingen als auch aus Esslingen zu verwerten. Täglich 100 Tonnen Bioabfall sollten im Zuge der kreisübergreifenden Kooperation von den Fildern nach Leonberg gebracht werden.

„Und jetzt musste ich dem Kollegen mitteilen: Die Anlage gibt’s nicht mehr“, berichtete Roland Bernhard den Kreisräten. Zugleich kündigte er aber an: Man wolle aus der Not eine Tugend machen. „Wir sind uns einig: Gemeinsam wollen wir eine neue Anlage bauen, die nach dem neuesten Stand der Technik arbeitet.“ Bei der gleichen Menge Biomüll solle dabei noch mehr Strom produziert werden.

6899 Megawattstunden Strom

Denn das war der Clou der Anlage auf dem Leonberger Frauenkreuz. Bioabfälle wurden ähnlich der Bierherstellung – die Anlage hat seinerzeit auch ein großer belgischer Hersteller von Zubehör für Bierbrauereien gebaut – zum Gären gebracht. Das Biogas wurde abgefangen. Damit wurden Verbrennungsmotoren gespeist, die Strom produzierten.

6899 Megawattstunden Strom wurde so erzeugt – also die Menge, die 6000 Menschen in einem Jahr verbrauchen. Was bei der Vergärung übrig blieb, wurde mit Abwärme der Stromaggregate getrocknet und im Kompostwerk des Kreises Esslingen in Kirchheim unter Teck weiterverarbeitet.

„Wir haben noch keinen Zeitplan“

Wie es jetzt konkret weitergeht, steht noch in den Sternen. „Wir haben noch keinen Zeitplan“, sagte der Böblinger Landrat. Erst müsse man jetzt den großen Schaden aufarbeiten und vor allem die Ursache ermitteln.

Wie es zu dem großen Brand kam, ist weiterhin nicht bekannt. Die Kriminalpolizei Böblingen hat ihre eigenen Ermittlungen dazu ausgesetzt. „In Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Stuttgart werden wir uns auf die Gutachter der Versicherungen stützen“, erklärt Yvonne Schächtele, die Sprecherin des Polizeipräsidiums Ludwigsburg, gegenüber unserer Zeitung.

Auf 15 bis 20 Millionen Euro wird der Schaden insgesamt geschätzt – da geht’s also um große Summen. „Auch wir haben externen Sachverstand eingeschaltet“, berichtet der Böblinger Landrat Roland Bernhard. Einen Fachanwalt für Versicherungsrecht habe man beauftragt. „Wir gehen natürlich davon aus, dass wir den Schaden ersetzt bekommen“, sagt der Kreischef.

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„Wir waren richtig stolz auf die Anlage“

Dass in Leonberg aus dem Biomüll nicht nur Kompost, sondern gleichzeitig auch Strom gemacht wurde, gibt es nicht allzu häufig. „Wir waren richtig stolz auf diese Anlage“, sagt der Böblinger Landrat darum auch. Das Umweltbundesamt hat ausgerechnet, dass es in Deutschland zwar rund 1000 Kompostwerke gibt. Darunter sind aber nur 100 Bioabfallvergärungsanlagen.

„Ein Großteil der Bioabfälle wurde also kompostiert, wobei die enthaltene Energie nicht genutzt werden kann“, sagt ein Behördensprecher. „Ziel muss es daher sein, den Anteil der Vergärung mit Biogasgewinnung bei Bioabfällen in Zukunft zu erhöhen.“ Das wollen die Landkreise Esslingen und Böblingen jetzt mit vereinten Kräften tun.