Der Prozess gegen einen 57-Jährigen wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung wird fortgesetzt.

Leonberg - Auch wenn die Verletzung des Opfers schwerwiegend gewesen sei, so habe eine akute Lebensgefahr nicht bestanden. Zu dieser Schlussfolgerung gelangte die medizinische Sachverständige in dem wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung geführten Prozess am Stuttgarter Landgericht. Dort muss sich vor der 1. Schwurgerichtskammer ein 57 Jahre alter Mann aus Leonberg verantworten, der im vergangenen Oktober in einer Obdachlosenunterkunft einen Mitbewohner mit einem Filetier-Messer niedergestochen haben soll.

 

Dabei machte die Rechtsmedizinerin klar, dass die Folgen der Verletzung dramatisch hätten sein können. Zwar wurde bei dem vier Zentimeter tiefen Einstich nicht die Bauchwand des 49-Jährigen durchdrungen. „Wenn aber das Opfer nicht operativ behandelt worden wäre, hätte der erhebliche Blutverlust einen Schockzustand hervorrufen können, der womöglich in einem Organversagen geendet hätte“, erklärte die Sachverständige. „Wäre der Stich wenige Zentimeter höher und somit zwischen die Rippen gewesen, hätte dies möglicherweise auch die Lunge in Mitleidenschaft gezogen“, sagte sie.

Täter ist ein starker Trinker

Der psychologische Sachverständige konnte bei der Frage nach der Schuldfähigkeit des 57-Jährigen keine Anhaltspunkte für eine Bewusstseinsstörung feststellen. Allerdings attestierte er dem Mann eine Alkoholabhängigkeit. Weil dieser ein starker Trinker sei – die Blutkontrolle nach der Tat ergab einen Alkoholgehalt von 3,1 Promille – schloss er eine aufgehobene Steuerungsfähigkeit bei ihm aus und zog eine eingeschränkte Steuerung in Betracht. Nicht zuletzt wies er darauf hin, dass bei dem Leonberger im Falle einer Alkoholisierung mit weiteren Straftaten zu rechnen sei.

Zu der Messer-Attacke war es offenbar völlig grundlos gekommen. Wie das Opfer vor Gericht aussagte, habe der 57-Jährige beim Betreten seines Zimmers „wie aus heiterem Himmel“ auf ihn eingestochen. Dabei sei er dem Mann lediglich zur Hilfe geeilt, nachdem dieser auf den Boden gefallen sei und laut herumgeschrien habe. Nach dem Angriff sei er dann noch kurz von ihm angegangen worden, bevor dieser ihn lauthals aus dem Zimmer geschmissen habe. Einer der Mitbewohner, der bei der Tat zugegen war, rief daraufhin den Rettungswagen. Der 49-Jährige musste im Stuttgarter Katharinenhospital notoperiert werden.

Weiterer Vorfall mit einer Mitbewohnerin

Der Angeklagte, der seit Oktober in Untersuchungshaft sitzt, und mit dem es laut den Bewohnern bereits seit seinem Einzug in das Obdachlosenheim Probleme gab, wollte bislang keine Stellung zu den Vorwürfen nehmen. Allerdings entschuldigte er sich bei dem 49-Jährigen. Aus der polizeilichen Vernehmung ging hervor, dass er sich nicht an die Tat erinnern kann. Bei dieser unterstellte er dem Geschädigten, dass er ihn beklaut habe.

Neben des Messer-Angriffs muss sich der Mann auch wegen eines Vorfalls tags zuvor verantworten. Damals soll er den gummierten Fuß seiner Krücke gegen den Hals einer weiteren Mitbewohnerin gerammt haben. „Es bestand die Gefahr einer Kehlkopf-Quetschung, bei der es im schlimmsten Fall zu Gefäßverletzungen kommen kann, die wiederum auch zu Hirnschäden führen”, erklärte die medizinische Sachverständige.

Die Verhandlung wird fortgesetzt.