Ein Flüchtling wird wegen Diebstahls verurteilt. Seine Hoffnung ist gemeinnützige Arbeit.

Leonberg - Einblick in die fast hoffnungslose Lage eines Flüchtlings, der weder lesen noch schreiben kann, hat ein Fall vor dem Amtsgericht Leonberg gegeben. Der 32-Jährige wurde wegen des Diebstahls eines Handys im Wert von 400 Euro zu einer Bewährungsstrafe von drei Monaten und einer Woche verurteilt. Ursprünglich war er wegen Hehlerei angeklagt worden, da die Polizei das Handy bei ihm gefunden hatte, das einem Mann in Stuttgart gestohlen worden war. Der Angeklagte räumte jedoch unumwunden ein, das Handy und einige Zigaretten im Herbst vergangenen Jahres einem Schwarzafrikaner mit Rastalocken in der U-Bahn gestohlen zu haben, als dieser schlief und auf Ansprache nur mit wirren Worten reagierte.

 

Darüber hinaus schilderte der Mann, der nach eigenen Angaben in Douala in Kamerun geboren ist, dass er bereits im Jahr 2012 durch die Sahara und Marokko nach Spanien geflohen sei. „Ich habe einen Freund in Deutschland, der mir angeboten hatte, bei ihm zu wohnen“, ließ der französisch sprechende Angeklagte über eine Dolmetscherin übersetzen. Er habe schon als Kind den Traum gehabt, nach Deutschland zu kommen, zu arbeiten und ein ganz normales Leben zu führen – doch alles sei ganz anders gekommen.

Der Angeklagte kann weder lesen noch schreiben

Sein erstes Problem sei gewesen, dass er keine Geburtsurkunde und keine anderen Papiere habe, die seine Identität beweisen würden. „Ich war mehrfach in der kamerunischen Botschaft, doch sie haben mich nicht anerkannt“, sagte der Mann, der in Weil der Stadt bei einem Freund lebt. Wegen der fehlenden Nachweise sei ihm die Sozialhilfe von 320 auf 151 Euro gekürzt worden. Er sei auch nicht in der Lage, Deutsch zu lernen, da er in Kamerun nie eine Schule besucht habe und daher weder lesen noch schreiben könne. „Man sagte mir, dass man mir mit diesen Voraussetzungen keinen Lehrer stellen kann“, so der Angeklagte, der einen sehr emotionalen Eindruck machte.

Derzeit sei er in Deutschland geduldet, in seiner Duldungsurkunde stehe jedoch, dass er nicht arbeiten dürfe. „Ich habe immer gerne gearbeitet, aber hier bekomme ich keine Chance“, bedauerte der Angeklagte. Es sei nicht leicht, immer nur zu Hause zu sitzen und nichts zu tun. Diese Situation führe dazu, dass er nachts schlecht schlafe. „Um irgendwie einschlafen zu können, trinke ich dann Alkohol. Irgendwas, was gerade zu kriegen ist“, erklärte der 32-Jährige. Zudem sei bei ihm eine Tuberkulose-Erkrankung festgestellt worden.

Geständnis wirkt strafmildernd

Um eine Verurteilung kam das Amtsgericht Leonberg trotz der schwierigen Lebensumstände des Mannes nicht herum. Das Urteil von drei Monaten und einer Woche Freiheitsstrafe auf Bewährung entsprach dem Antrag des Staatsanwaltes. Richter Thomas Krüger wertete das Geständnis des Angeklagten strafmildernd. Gegen den 32-Jährigen sprach jedoch, dass er bereits zweimal vorbestraft war und wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall und Schwarzfahrens zu Geldstrafen verurteilt worden war. „Der Angeklagte kommt in Deutschland nicht zurecht, er spricht kaum Deutsch und hat keine Aussicht auf Arbeit“, erklärte der Staatsanwalt in Richtung des Angeklagten.

Als Hoffnungsschimmer für den Mann aus Weil der Stadt könnte sich möglicherweise eine Bewährungsauflage erweisen, die das Gericht ihm aufgab: Er muss 80 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und wird der Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt. „Vielleicht gibt das Ihrem Leben Struktur. Und wenn Sie sich geschickt anstellen, ergibt sich ja doch noch irgendeine Arbeitsmöglichkeit daraus“, meinte der Staatsanwalt. Der 32-Jährige nahm das Urteil an und wartet nun, dass der Anruf seines Bewährungshelfers ihm vielleicht irgendwie eine neue Tür in dem Land öffnet, in dem er sich bisher so schwer tut.