Das Thema soll in einer Sondersitzung ausführlich behandelt werden.

Leonberg - Drei Stunden und 45 Minuten haben die gut 20 Zuhörer in der Stadthalle ausgeharrt. Dabei hatte es ihnen nur ein einziger Punkt auf der Tagesordnung des Gemeinderates angetan: der Lärmaktionsplan. „Es ist jetzt 17.45 Uhr. Ich schlage vor, den allerletzten Tagesordnungspunkt abzusetzen. Dann bleibt uns noch allerhöchstens eine Stunde für den Lärmaktionsplan, bevor wir den Platz für den Planungsausschuss räumen müssen“, verkündete der Erste Bürgermeister Ulrich Vonderheid, der die Sitzung anstelle des erkrankten Bernhard Schulers leitete.

 

Was prompt heftige Gegenreden auslöste. „Wenn wir diese 159 Seiten jetzt durchpeitschen, ist das dem Lärmaktionsplan nicht würdig“, verkündete Wolfgang Schaal (Freie Wähler) und beantragte, den Punkt in die nächste Sitzung zu verschieben oder gar eine Sondersitzung anzuberaumen.

Absetzen oder ändern?

Dafür erhielt er Applaus aus der Zuhörerschaft, aber es rief auch die SPD-Fraktionschefin Christa Weiß auf den Plan. „Viele Zuhörer haben jetzt fast vier Stunden ausgeharrt. Den Punkt jetzt abzusetzen, finde ich schlecht“, sagte Weiß und lieferte einen ganz anders gearteten Vorschlag: „Die SPD-Fraktion beantragt, die dem Lärmaktionsplan zugrunde liegenden Grenzwerte von 70 auf 65 Dezibel am Tag und von 60 auf 55 Dezibel in der Nacht abzusenken.“

Diese neuen Werte würden die Zunahme des Verkehrs besser berücksichtigen, als die errechneten Werte, die wiederum auf Verkehrszahlen aus dem Jahr 2015 beruhen. Man müsse auf die immense Belästigung der Bürger reagieren und dabei die aktuelle Lage berücksichtigen. „Wir brauchen ein deutliches politisches Signal“, sagte Weiß und erhielt Rückendeckung von Bernd Murschel und der Grünen-Fraktion. Die gleichen Grenzwerte hatte im Übrigen auch das Gesundheitsamt im Kreis Böblingen in seiner Stellungnahme zum Lärmaktionsplan empfohlen.

Der Ältestenrat entscheidet am Montag

Theoretisch wäre dies eine gute Grundlage für eine Sachdiskussion gewesen. Praktisch kam an dieser Stelle aber die Geschäftsordnung für Gemeinderatssitzungen dazwischen. Denn die besagt, dass zuerst über den Antrag abgestimmt werden muss, der die weitreichenderen Konsequenzen hat. In dem Fall die Absetzung des Tagesordnungspunktes. „Verfahrenstechnisch befinden wir uns jetzt im Nirvana“, kommentierte Murschel.

Der Erste Bürgermeister brachte schließlich folgenden Kompromiss ins Spiel. Abgestimmt wird nur über den SPD-Antrag. Danach befasst sich der Ältestenrat am Montag mit dem Thema. Diesem Gemeinderatsgremium gehören der Oberbürgermeister sowie die Vorsitzenden der Fraktionen und Gruppierungen im Rat an. Außen vor bleibt dabei einzig die Linke, die mit Gitte Hutter nur eine Stadträtin stellt.

Mehr Straßen betroffen als bislang

Bei drei Enthaltungen stimmte der Ausschuss dem Kompromiss zu. Eine öffentliche Sondersitzung soll es dennoch geben. „Wir müssen auch fragen, welche Auswirkungen das auf die Verwaltung hat“, warf Gabriele Ludmann (CDU) ein. „Es wird durch den Antrag ja nicht alles auf Null gesetzt. Die Werte liegen ja vor“, merkte Christa Weiß an. Bis zur Gemeinderatssitzung am Dienstag sei der Lärmaktionsplan dahingehend sicher nicht zu überarbeiten, sagte Stadtplaner Norbert Geissel. „Es wird sicher mehr Maßnahmenbereiche geben als bislang“, erklärte er. So gibt es derzeit zwölf Straßen und Knotenpunkte, an denen die Grenzwerte überschritten werden.

Die EU schreibt gesetzlich vor, dass die Kommunen in diesen Fällen aktiv werden müssen, um die Bürger zu schützen. Sei es durch Vorhaben, die den Lärm verringern, oder durch Schutzmaßnahmen wie Zuschüsse zu Lärmschutzfenstern. In der EU-Regelung ist ebenso festgelegt, dass die Kommunen ihre Lärmaktionspläne alle fünf Jahre fortschreiben müssen. Da Stufe zwei für Leonberg eigentlich schon 2103 fällig gewesen wäre, aufgrund fehlender Gutachten und neuer Lärmkarten erst 2015 vorgelegt wurde, wäre die dritte Stufe theoretisch schon 2018 wieder fällig.