Zwar entstehen im Zentrum neue Quartiere, doch der Platz wird bei Weitem nicht reichen. Beim Eigentümerverein „Haus und Grund“ kündigt der Erste Bürgermeister Ulrich Vonderheid eine kommunale Offensive für bezahlbaren Wohnraum an.

Leonberg - Der Platz in Leonberg wird knapp. Die Lage in der Boomregion Stuttgart, die Bosch-Ansiedlung in Renningen, die Porsche-Expansion in Weissach und nicht zuletzt viele attraktive Arbeitsplätze in der Stadt selbst ziehen zahlungskräftige Wohnungsinteressenten in Scharen an.

 

In den nächsten 15 Jahren wird die Stadt weitere 3500 Einwohner dazu bekommen. Das erwartet zumindest das Statistische Landesamt. Damit könnte Leonberg die magische 50 000 Einwohner-Marke überschreiten. Das bedeutet aber auch: Der derzeitige Bestand an Wohnraum reicht dafür bei Weitem nicht aus. Von rund 2000 zusätzlich benötigten Wohnungen gehen die Planer im Rathaus aus.

Überall in der Stadt wird dafür gebuddelt und gebaut, auch direkt im Zentrum. Allein die „Wüstenrot Haus- und Städtebau“ (WHS) ist mit drei Projekten in der Stadt aktiv. Im „Stohrerpark“, der sich vom Bahnhof bis zur Römerstraße erstreckt, entstehen vier Gebäude mit insgesamt 49 Wohnungen. Neben dem Samariterstift baut die WHS fünf Häuser mit 56 Wohnungen. Und in Höfingen in der Hirschlander Straße entsteht ein Wohngebäude mit elf Wohnungen. Selbst das neue Stadtquartier Ezach III ist noch nicht ausgereizt. Hier sind zwar längst viele Familien eingezogen, gebaut wird aber immer noch.

„Es gibt nicht nur Millionäre“

Doch selbst das ist längst nicht genug. Und: „Leonberg besteht auch nicht nur aus Einkommensmillionären“, sagt Ulrich Vonderheid, der Erste Bürgermeister. „Es gibt auch Busfahrer und Pflegekräfte im unteren Einkommenssegment.“

Wie dem abgeholfen werden kann, das hat nicht nur der Gemeinderat bei einer Klausurtagung im März behandelt, auch die Mitglieder im Eigentümerverein „Haus und Grund“ treibt die Wohnungsnot um. „Bezahlbarer Wohnraum muss das Ziel aller Fraktionen im Gemeinderat sein“, fordert der Vorsitzende Reinhard Brümmer. Wie das konkret gehen könnte, das haben die Immobilienbesitzer auf ihrer jüngsten Mitgliederversammlung zusammen mit Ulrich Vonderheid diskutiert.

Vor allem im sozialen Wohnungsbau hat die Stadt erheblichen Nachholbedarf. Nicht einmal ein Prozent aller Leonberger Wohnungen sind im Besitz der Stadt und können damit an Bedürftige günstiger weitervermietet werden. Zum Vergleich: in Sindelfingen sind es 14 Prozent.

„Die Stadt muss endlich eine aktive Rolle bei der Wohnungspolitik übernehmen“, fordert daher Vonderheid, der im Rathaus für die Finanzen verantwortlich ist. Sein Vorschlag: das Ankaufmodell. Die Stadt erwirbt, mietet oder baut Wohnungen. „Nach alter Väter Sitte hat die Stadt früher Baugebiete ausgewiesen und dann gesagt: baut – oder eben nicht“, erklärt Vonderheid. „Das hat sich nicht bewährt.“

Skepsis auf Seiten der Eigentümer

Einigen Eigentümern ist diese Änderung der städtischen Strategie noch suspekt. Von „sozialistischen Tendenzen“ ist da die Rede. „Wollen Sie uns zukünftig enteignen, um an Grundstücke ranzukommen?“, fragt ein Mitglied den Bürgermeister. So weit will der Vorsitzende Reinhard Brümmer nicht gehen, aber auch er sagt: „Wir müssen den Anfängen wehren. Die Grundstücks- und Hauseigentümer dürfen in der öffentlichen Diskussion nicht immer nur kriminalisiert und schlecht dargestellt werden.“

Bürgermeister Ulrich Vonderheid versucht zu beruhigen: „Wir zahlen als Stadt einen vernünftigen Preis“, verspricht er. Und: „Am allerbesten ist es immer, wenn man sich einigt.“ An Enteignung wolle er daher überhaupt nicht denken.

Aber nur so sei es möglich, mehr und vor allem bezahlbaren Wohnraum für geringer verdienende Familien zu schaffen. Und bevor die Stadt in Verhandlungen mit Grundstückseigentümern tritt, will sie das Modell erst einmal auf städtischem Grund ausprobieren. Von 169 Wohnungen, die sich derzeit in städtischem Besitz befinden, will die Stadt auf diese Weise ihren Bestand bis 2030 auf 380 Wohnungen verdoppeln.

Jetzt müssen sich Stadt und Gemeinderat für ein Finanzierungsmodell entscheiden. Entweder, die Stadt selbst tritt als Bauherr auf, oder sie gibt die Aufgabe an eine städtische oder private Gesellschaft ab. „Was auch immer wir tun – die Umsetzung ist möglich“, bilanziert Finanzbürgermeister Ulrich Vonderheid das Projekt.