Nicht nur die SPD führt bei der Bewertung von Bauplätzen finanzielle und ökologische Gründe an. Eine Analyse.Thomas K. Slotwinski

Leonberg - Dass die CDU-Stadträtin Susanne Kogel der aktuellen Debatte um neue Wohnflächen Kindergarten-Niveau bescheinigt hat, fuchst Ottmar Pfitzenmaier: „Wir führen hier keine spätpubertäre Diskussion, sondern orientieren uns an Fakten.“ Umso mehr bekräftigt der Chef der SPD-Fraktion seine Skepsis gegenüber einem neuen Wohnquartier am Unteren Schützenrain. Rein finanziell gebe es deutlich attraktivere Möglichkeiten, sagt er und meint nicht nur die Berliner Straße.

 

Denn selbst Ezach 3 ist noch nicht fertig. Für ein neues Viertel auf dem TSG-Gelände läuft die Planung. Auch das Reiterstadion könnte bebaut werden. Hier sind die Widerstände freilich besonders hoch. Und eben die Berliner Straße, bei der am Rande des Stadtparks ein Hektar Fläche zur Verfügung steht, die sogar der Stadt gehört.

Kürzere Genehmigungswege

Solange es diese „preislich günstigeren Alternativen gibt“, so argumentiert der frühere Chef der Kreissparkassen-Direktion Leonberg, „ist es schlicht unwirtschaftlich, im Schützenrain bezahlbaren Wohnraum zu erstellen“. Und um den gehe es der SPD, nicht um weitere Einfamilienhäuser.

Die CDU hingegen macht sich für ein Quartier in dem 2,3 Hektar großen Gebiet stark, das am nördlichen Stadtrand oberhalb der Feuerbacher Straße liegt. Die Fraktionschefin Elke Staubach ist sehr wohl der Meinung, dass dort, längs der Straße, mehrgeschossige Gebäude mit günstigen Wohnungen machbar sind. Kleinere Häuser, für die die Nachfrage ebenso ungebrochen ist, könnten dann sozusagen im Hinterland platziert werden.

Dank eines sogenannten „beschleunigten Verfahrens“, das angesichts der Wohnungsnot bis Ende 2019 die Genehmigungswege deutlich verkürzt, könne am Unteren Schützenrain sehr schnell gebaut werden, argumentiert Staubach.

Lange Artenschutzprüfung

Das wiederum zieht Ottmar Pfitzenmaier in Zweifel. Allein schon aus ökologischen Gründen. Wegen der dort vorhandenen Vielfalt an Tieren und Pflanzen müsse eine Artenschutzprüfung gemacht werden. Die aber dauert eine Vegetationsperiode. Wirklich schnelles Bauen wäre dort nicht so ohne Weiteres möglich.

Der aktuelle Konflikt um die Wiesenfläche am Stadtrand ist exemplarisch für die Wohnraumdiskussion, die in Leonberg geführt wird. Vereinfacht ausgedrückt könnte man sie auf den klassischen Konflikt zwischen Beton und Natur reduzieren.

Denn ökologische Argumente, die nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch die Grünen und die Ratsgruppe SALZ gegen eine Bebauung am Schützenrain anführen, verwenden selbst die Kritiker eines möglichen Quartiers an der Berliner Straße.

Eingriff in den Stadtpark

„Natürlich wäre das ein Eingriff in den Stadtpark“, meint Axel Röckle und verweist darauf, dass durch die Haldenwang-Schule, die Ostertag-Schule, das Amber-Hotel, die Stadthalle und vor allem dem Viertel rund um die Lobensteiner Straße bereits etliche Flächen nun unter Beton liegen, die einst zum Park gehörten. Käme ein weiteres Wohngebiet hinzu, würde die grüne Lunge der Innenstadt immer mehr schrumpfen. Der Fraktionschef der Freien Wähler meint, dass andere Freiflächen, etwa im Ramtel, zuerst genutzt werden müssten.

Doch mit den Alternativen ist es nicht so einfach. Neun Hektar wären im Bereich Hasensaul oberhalb der Rutesheimer Straße nahe dem Krankenhaus zu haben. Kein Wald, keine Biotope und richtig viel Platz.

Fachüberprüfung aller drei Gebiete

Dafür aber Ackerland. „Zählt das denn gar nichts mehr?“, fragt Jörg Langer. Der Landwirt ist ein aufrechter Streiter für den Erhalt bäuerlicher Nutzflächen. Da schert es ihn wenig, dass seine Fraktion der Freien Wähler oft eine andere Meinung hat.

Durch eine Fachüberprüfung aller drei Gebiete will der Oberbürgermeister eine seriöse Entscheidungsgrundlage ermöglichen. Denn am Szenario, das die Grünen-Stadträtin Birgit Suckut befürchtet, hat Martin Kaufmann auch kein Interesse: Dass der Landschaftsschutz unter dem Deckmantel der Wohnungsnot allmählich ausgehebelt wird.