Sie haben die mühsamste Anreise zum Leonberger Pferdemarkt: Die Narren aus Weil der Stadt.

Leonberg - Der härteste Abschnitt wartet immer kurz vor dem Ziel. Auf den Längenbühl geht es noch mal richtig hoch – und es zieht sich. „Das ist immer das letzte Hindernis“, sagt Werner Schöffler und schnauft. Zusammen mit 25 weiteren Zigeunern und vier Bären ist er schon seit 8 Uhr am frühen Morgen unterwegs, um die 15 Kilometer von Weil der Stadt rüber zum Leonberger Pferdemarkt zu wandern.

 

Am Ende fällt die Bilanz aber positiv aus. „Es gab keinen Ausfall“, verkündet Schöffler. Alle sind angekommen. Niemand hätte aber erwartet, dass es anders kommt. Auf der Wegstrecke nach Renningen bietet schließlich der Bürgermeister Thilo Schreiber persönlich, zusammen mit seiner Sekretärin Isolde Reinert, der „Dame für den gehobenen Empfang“ (Narrenblatt), eine noble Zwischenverpflegung: Wurstweckle. Nach einer weiteren Pause im Renninger Schlössle kann da nichts mehr schiefgehen. „Wir haben im Karren auch Bier, Brot und Schwarzwust dabei“, klärt Christian Lutz auf, der zusammen mit Schöffler den originalen, mehr als 170 Jahre alten Zigeunerkarren zieht.

Das THW bewirtet mit Weckle und Leberkäs’

Seit mehr als 30 Jahren hat es Tradition, dass die Zigeuner am Pferdemarktsdienstag nach Leonberg wandern. Und seit 20 Jahren werden die wahrscheinlich schon ausgehungerten Weil der Städter bei der Ankunft auch angemessen verköstigt. Matthias Schultheiß, der Chef des Leonberger THW, steht schon auf dem Parkplatz eines Autohauses in der Berliner Straße. „Wir bewirten ja ohnehin in der Steinturnhalle“, sagt er, da sei es kein Aufwand, rüberzukommen und sich um die Weiler zu kümmern. Dann muss er aber weiterschaufeln, Weckle und Leberkäs’. Und dann ist es auch schon 14 Uhr, der Umzug beginnt.

Damit Leonberg sieht, wie richtiger Wagenbau geht, ist die Weiler Narrenzunft mit gleich zwei Exemplaren ihrer Abteilung „Wagenbau“ angereist. Das Thema dazu hatte Michel Borger, der AHA-Vorsitzende, in dieser Zeitung entdeckt, als wir über Seilbahn-Pläne aus der Keplerstadt Linz berichtet hatten. „Da bin ich zum Wagenbau gegangen und hab gesagt: Das müssen wir machen.“

Seilbahn-Pläne kommen eigentlich aus Weil der Stadt

Jetzt lautet das Motto: Solange Linz und Leonberg noch planen / fahren in Weil der Stadt längst die Bahnen. Denn die Seilbahn-Pläne kommen eigentlich aus Weil der Stadt verrät Borger, was noch niemand wusste. Johannes Kepler hätte auch Drahtseilbahnpläne entworfen – eigentlich. „Leider ist er zu früh gestorben“, klärt der Narrenchef auf. 80 Leute schaffen beim Weiler Wagenbau jedes Jahr mit, zehn davon haben den Planeten-Wagen kreiert. „Die Kirche in der Mitte hatten wir natürlich im Fundus“, verrät Michel Borger. Die brauchen sie schließlich immer wieder. „Das Komplizierteste war allerdings, das Seil zu spannen.“ Denn das Seil muss passend lang sein und immer gespannt, sonst lässt es sich vom Elektromotor nicht drehen.

Dazu haben die Weiler noch eines ihrer Wagen-Schmuckstücke mitgebracht. Das „Disneyland“, samt Blümchen, Gartenzäunen und Talern im Glas. Und warum sie überhaupt nach Leonberg kommen? „Es macht Spaß – und wo es Spaß gibt, sind wir zur Stelle“, sagt Michel Borger. Und man wolle Entwicklungshilfe leisten, ruft einer dazwischen. Denn Umzug und Feiern, das können sie schließlich, die Weil der Städter.