Doch beim Rathaussturm warten unten die Waldhexen. Bis Aschermittwoch hat Martin Kaufmann jetzt frei.

Leonberg - Wie lange sich der Oberbürgermeister mit Fluchtgedanken getragen hat, ist nicht bekannt, doch der Coup war wohl von langer Hand vorbereitet. Die Alarmsirene heult nur kurz auf, und schon stehen seine Feuerwehrmannen in vollem Rettungsoutfit in Bereitschaft, um Martin Kaufmann vor dem Ansturm der Waldhexen und der übrigen Hästräger und Karnevalisten zu schützen, die gerade das Rathaustor gerammt haben und auf dem Weg nach oben sind.

 

Klettert er wirklich raus?

Zuvor hat Martin Kaufmann noch vergeblich versucht, die Kindergarde und die Prinzengarde mit Gummibärchen und Goldtalern vom Sturm aufs Alte Rathaus abzuhalten. Während sein Feldmarschall und persönlicher Referent Timon Friedel im Rathaus die Stellung hält, klettert der Chef in höchster Not aus zehn Metern Höhe aus dem Fenster des Trausaals auf die Schiebeleiter, die die Feuerwehrleute für ihn an der Fassade aufgerichtet haben.

Jetzt stockt der Menschenmenge auf dem Marktplatz doch für einen Moment der Atem: „Ist er das wirklich? Klettert er jetzt wirklich raus?“ So richtig glauben können es die Zuschauer noch nicht, bis er schließlich mit beiden Füßen fest auf der Leiter steht, nur von einem Sicherungsseil gehalten. „Das Schwierigste ist, erst einmal gut aus dem Fenster zu kommen und sicher zu stehen“, sagt Martin Kaufmann, „und dabei möglichst nicht in die Menge zu schauen“.

Alle Mühe ist vergebens

Als das geschafft ist, klettert er flott die Leiter nach unten. Die Aktion kommt bei den Besuchern gut an. Für seinen Mut wird Kaufmann später sogar mit dem Ehrenabzeichen der Musketiere des Karnevalsclub Stuttgarter Rössle ausgezeichnet. Doch alle Mühen und Mutproben nutzen ihm nichts, am Fuß der Leiter nehmen ihn die Waldhexen in Empfang. Unter großem Gejohle und mit Unterstützung von Zwergengarde, Kindergarde, Prinzengarde, Tanzmariechen und den Elferräten der Gesellschaft Engelberg, sowie den Lewenberchern und den neu gegründeten Eltinger Mollenbachhexen tragen ihn die Waldhexen auf die Bühne und durchsuchen ihn nach dem Rathausschlüssel. Die Engelberger Prinzessin Carmen die Zweite vom Löwenrudel wird schließlich fündig, der Schlüssel ist jetzt bis Aschermittwoch in der Hand der Karnevalisten. Die angeblich leere Stadtkasse allerdings rückt Kaufmann nicht heraus.

Vor dem Narrengericht muss Kaufmann die aktuelle Stadtpolitik verteidigen, vor allem den Wohnungsbau und das aktuelle Thema Nummer eins, „den Verkehr in Leonberg, der wie man hört, den Oberbürgermeister stört“, dichtet die Anklägerin Monika Raffler: „Letztes Jahr wolltet ihr anfangen mit der Schmalspurbahn, doch seit neuestem sollen wir bald mit der Seilbahn fahr‘n?“ Kaufmann lässt keinen Zweifel: „An der Seilbahn führt kein Weg vorbei“.

Dank der Bierleitung

Auch ganz oben auf Rafflers Liste steht die Sauberkeit in der Stadt: „In Leonberg hat‘s noch immer viel Schmutz, da meint man grad, hier haust die Wutz.“ Kaufmann sichert zu: „In dieser Stadt, da liegen Fetzen. Wir sagen an, den Kampf dem Schmutz und starten mit dem Frühjahrsputz.“ Letztlich kann Monika Raffler dem OB aber nur ein große Verfehlung anlasten: „Er hat Schuld daran, dass während des Rathaussturms im Marktbrunnen statt Bier nur Wasser fließt. Für dieses Versäumnis der Stadtwerke, die die Bierleitung anstatt an den Marktbrunnen an den Hausanschluss des Rathauses montiert haben, trägt er die volle Verantwortung. Und so lautet die Strafe, Freibier für das Narrengericht und seine Helfer.“

Zur Vollstreckung zieht sich das närrische Volk in das Rathaus zurück, wo der OB, dank der dort irrtümlich angeschlossenen Bierleitung, alle anständig bewirten kann.