In der Stadtkirche dient das Programm als Einlasskontrolle. Der gemeinsame Gesang ist aber nicht möglich.

Leonberg - Nur zögerlich nähern sich die ersten Besucher dem Eingang der Leonberger Stadtkirche. Schilder weisen auf die Maskenpflicht hin, Helfer aus der Kirchengemeinde erklären den Infektionsschutz: Alle Besucher werden gleich am Eingang gebeten, die Hände an den bereitgestellten Spendern zu desinfizieren. Jeder muss einen Mundschutz tragen. Wer selbst keinen dabei hat, bekommt von der Kirche einen geschenkt.

 

Dekan Wolfgang Vögele empfängt die Besucher vor der Kirche mit einem besonderen Mundschutz: Eigens für ihn haben fleißige Hände eine Maske in der Optik seines Talars genäht: Schwarz mit zwei kleinen weißen Beffchen, in Anlehnung an die rechteckige weiße Halsbinde, die evangelische Pfarrer üblicherweise am Kragen tragen. Etwas Sinn für Humor muss auch in dieser Zeit sein. Während der Predigt kann der Dekan den Mundschutz ablegen, der Abstand zur Gemeinde ist groß genug.

Programm als Einlasskontrolle

Wer die Kirche betritt, wird gebeten, sich das Programm für den Gottesdienst mitzunehmen. Dass wirklich jeder eines der Liedblätter vom Stapel nimmt macht Sinn, denn die Programme sind abgezählt, exakt 92 Stück sind es, so viele wie Gläubige maximal in die Kirche dürfen. Das erleichtert die Kontrolle. Nur je drei Personen sitzen jetzt auf einer Kirchenbank, jede zweite Bank bleibt komplett frei. Zwei Meter Abstand in jede Richtung sind es..

Bis zu 500 Gläubige finden maximal in der Leonberger Stadtkirche Platz. Doch so viele sind es selten, nur zu den hohen Kirchenfeiertagen füllt sich der Raum, an normalen Sonntagen sind nicht mehr als die heute erlaubte Anzahl. Mit einem großen Andrang hat Dekan Vögele für heute nicht gerechnet. „Viele sind noch vorsichtig“, sagt er. Immerhin 69 Besucher sind es an diesem Tag geworden.

Die Sitzplätze sind mit nummerierten grünen Zetteln gekennzeichnet. Auf ihnen muss sich jeder namentlich und mit Anschrift registrieren, damit im Falle einer Ansteckung die Infektionskette genau nachverfolgt werden kann.

Drei Personen pro Sitzbank

Jetzt sitzen alle ruhig auf ihren Plätzen, niemand spricht. Eine etwas beklemmende Atmosphäre ist es. Gefeiert wird der erste evangelische Präsenz-Gottesdienst seit der Mitte März verordneten Kontaktsperre. Und auch wenn vieles anders ist, so sind doch die Gemeindeglieder froh wieder auf der Kirchenbank sitzen zu können. Gemeindegesang allerdings ist nicht erlaubt, und das ausgerechnet am Kirchenmusiksonntag, an dem üblicherweise die musikalische Lobpreisung im Mittelpunkt steht.

Doch das Team um den Dekan und der just an diesem Sonntag unter großem Applaus zum Kirchenmusikdirektor ernannte Attila Kalman zeigen sich kreativ: Den sängerischen Part übernimmt die Tochter des Dekans, Catharina Vögele, die von Zeichen der Hoffnung auf steinigen Wegen singt, begleitet am E-Piano von Attila Kalman. Auch für die nächsten Sonntage sind Auftritte von Solisten eingeplant. Das kommt gut bei den Besuchern an.

Besucher loben Organisation

Dennoch ist die Stimmung nach dem Gottesdienst beim Verlassen der Kirche verhalten, aber alle sind voll des Lobes für die gute Organisation. Die Infektionsmaßnahmen finden die Besucher gerechtfertigt. Sie seien sehr gut umgesetzt, es sei trotzdem feierlich gewesen, auch wenn der Gottesdienst kürzer war als üblich und alle sind froh, dass der Kirchgang überhaupt wieder möglich ist, auch wenn einigen das Singen der Gemeinde fehlt.

Doch die Zwangspause bot der Kirche auch die Möglichkeit, neue Formate zu entdecken, wie jetzt der musikalische Solovortrag, den es sonst nur an hohen Feiertagen gibt. Und noch eine erfolgreiche Neuerung: Zu Ostern gab es drei Online-Gottesdienste, die jeweils bis zu 850 Mal angeklickt wurden. „Gemeindeglieder, die aus gesundheitlichen Gründen gar nicht mehr persönlich in die Kirche können, konnten so wieder am Gottesdienst teilnehmen. Vielleicht können wir das gelegentlich wieder anbieten, wenn auch der Gottesdienst von Angesicht zu Angesicht durch nichts ersetzt werden kann“.