Von der Maurerin zur Ingenieurin: Ein Werdegang, den Berufsschulen im Land möglich machen. Der Leiter der Oscar-Walcker-Schule erklärt, warum berufliche Schulen so wichtig sind – und was er sich von der Politik erhofft.

Stuttgart - Eine stärkere Lobby im Rücken und noch gezielteren Sprachunterricht für seine Schüler wünscht sich Andreas Moser, Leiter der Oscar-Walcker-Schule.

 
Herr Moser, der Bundespräsident besucht Ihre Schule. Was wollen Sie ihm beibringen?
Es ist wichtig, für das breite Leistungsspektrum unseres beruflichen Schulwesens zu werben, das eine große Integrationsleistung erbringt. Das kommt mir in der öffentlichen Wahrnehmung zu kurz. Ich würde mir wünschen, dass wir eine stärkere Lobby im Rücken hätten. In Baden-Württemberg wissen viele immer noch nicht, dass man am beruflichen Gymnasium die allgemeine Hochschulreife macht, die zu jedem Studium in allen Fachrichtungen an jeder Universität berechtigt. Freilich ist die berufliche Aus- und Weiterbildung unser Kerngeschäft, und die machen wir mit Verlaub auch gut. Aber gerade in Baden-Württemberg haben wir eine so große Bandbreite. Es gibt bei uns auch viele Absolventen, die nach der dualen Ausbildung ein Studium draufsatteln. Ich erinnere mich an eine Maurerin, unsere Jahrgangsbeste, die Bauingenieurin geworden ist. Das sind Highlights, auf die wir stolz sind.
Was wünschen Sie sich von der Bildungspolitik?
Gelassenheit. In der Bildungspolitik weiß immer jeder, wie es richtig laufen sollte. Die Weichenstellungen lassen den Schulen oft zu wenig Spielraum, und wir können uns nicht ständig neu ausrichten. Wir haben duale Partner, also Betriebe, deren Bedürfnisse wir etwa in der Organisation der Prüfungen, Stunden- und Lehrpläne berücksichtigen müssen. Das lässt sich nicht von jetzt auf gleich umkrempeln.
Kritiker bemängeln, die Berufsschulen seien beim Thema Digitalisierung noch in der Steinzeit.
Das ist überzogen, aber natürlich ist da noch einiges zu tun. Gerade weil etwa im Handwerk viele kleinere Betriebe beim Einsatz digitaler Medien noch zurückhaltend sind, sollten die Azubis den Umgang damit bei uns lernen. Mit dem Einsatz digitaler Lernmittel und Werkzeuge könnte die Attraktivität auch der Berufe gesteigert werden, die bei Jugendlichen weniger angesagt sind. Und wenn ein Azubi den Umgang mit Tablet oder 3-D-Scanner bei uns lernt, wird die Chefin oder der Chef ihre oder seine manchmal noch wahrnehmbare Zurückhaltung beim Einsatz digitaler Werkzeuge vielleicht recht schnell ablegen. Als kleinere Lösung würde ich mich schon freuen, wenn wir ein flächendeckendes WLAN-Netz hätten.
Vor welcher Herausforderung stehen Sie bei der Integration von Flüchtlingen?
Die jungen Leute, die kein Deutsch können, haben sehr unterschiedliche Hintergründe. Manche haben nie eine Schule besucht, andere kommen vom Gymnasium. Nach einem Jahr reichen die Sprachkenntnisse meist noch nicht für die Ansprüche einer Ausbildung. Wir haben nun die Möglichkeit der berufsbezogenen Vorqualifizierung bekommen, das heißt, zum fachlichen Unterricht kommt ein Deutschunterricht, der gezielt die Fachsprache des künftigen Berufsfeldes abdeckt. Damit sind wir auf einem guten Weg, aber das reicht noch nicht aus. Die Förderung muss noch individueller werden.
Ist das überhaupt zu schaffen?
Insgesamt ist die Entwicklung positiv. Ich selbst unterrichte seit drei Jahren Integrationsklassen. Meine aktuelle ist ein echter Glücksfall. Fast alle sind sehr engagiert und motiviert. Aber es gibt doch noch einige, die durch das System fallen. Ein Schüler wohnt im Obdachlosenheim. Er fiel mit seiner Volljährigkeit aus dem Raster der Jugendbetreuung. Dadurch fehlen ihm Hilfsstrukturen. Da brauchen wir noch andere Bedingungen.