Stundenlanges Sitzen am Computer oder vor dem Fernseher gehört heute zum Alltag vieler Menschen. Doch gesund ist das nicht. Der Sportwissenschaftler Wolfgang Schlicht gibt Tipps, wie man dieses Verhalten ändern kann.

Stuttgart - Bewegung ist für viele Menschen mittlerweile zur Mangelware geworden. Die weitaus meiste Zeit des Tages verbringen sie sitzend oder liegend, und zwar im Büro wie in der Freizeit. „Sedentariness“ nennt Wolfgang Schlicht vom Lehrstuhl Sport- und Gesundheitswissenschaften der Universität Stuttgart dieses ausgedehnte, bewegungsarme Leben am Computer und vor dem Fernseher. Die vielfältigen Folgen der Bewegungsarmut und mögliche Wege zur Abhilfe waren das Thema seines Vortrags: „Weg vom Sofa – Wie man seine Bequemlichkeit überwindet“. Und er fügte noch einen Untertitel an: „Verhalten ändern – warum und wie?“

 

Wie weit verbreitet Sedentariness inzwischen ist, zeigte Schlicht im Ländervergleich: Üblich ist heute in Industrieländern, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung mehr als neun Stunden am Tag praktisch ununterbrochen sitzt. Schlicht machte aber auch deutlich, dass Sedentariness – also eine sitzende Lebensweise – und Inaktivität verschiedene Verhaltensweisen sind, die auch unterschiedlich starke Risikofaktoren für die Entstehung von Krankheiten darstellen. So senkt ein gewisses Maß an Aktivität – etwa 150 Minuten pro Woche schnelles Gehen oder 15 Stundenkilometer schnelles Radfahren – das Risiko merklich. Weniger als 90 Minuten Aktivität erhöht dagegen das Risiko, wenn auch nicht so stark wie langes Sitzen.

Sedentariness – das „unbewegte“ Leben

Gesund sind sowohl Sedentariness als auch eine inaktive Lebensweise nicht, das haben mehrere Studien gezeigt. Besonders deutlich steigt das Risiko für Diabetes vom Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aber auch verschiedene Krebsarten werden durch diese Lebensweise begünstigt. Ganz allgemein sinkt die Lebenserwartung, je länger man sitzt und je weniger man sich bewegt.

Zu der Bewegungsarmut kommt oft genug eine allzu üppige Ernährung hinzu. Wolfgang Schlicht bringt dazu gerne einen Vergleich: Während seit den neunziger Jahren die Fernsehbildschirme immer flacher werden, nehmen die Bäuche der Menschen an Umfang zu – und damit erhöht sich das Risiko für Diabetes. „Man sollte statt Hunde lieber Flachbildschirme besteuern“, kommentierte er launig diese Entwicklung – in Anspielung darauf, das Hundebesitzer beim Gassigehen regelmäßig Bewegung haben.

Schon wenig Aktivität hilft

Aber Übergewicht allein ist nicht entscheidend: „Fitte Dicke leben länger als unfitte Dünne“, brachte es Schlicht auf den Punkt. Dabei hat körperliche Aktivität noch lange nichts mit Sport zu tun, das machte der Sport- und Gesundheitswissenschaftler immer wieder deutlich. Schon eine Stunde Aktivität pro Woche reicht aus, um das allgemeine Sterbensrisiko um 14 Prozent zu senken. Und bei drei Stunden pro Woche sinkt die Gefahr, an einem koronaren Herzleiden zu erkranken. „Bereits kurze Belastungen nützen“, ermunterte Schlicht die Leser, sich in Zukunft mehr zu bewegen. Dazu gehören Spaziergänge, aber auch die Treppe statt den Aufzug zu benutzen oder kleinere Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen. So lasse sich das Erkrankungs- und Sterberisiko „signifikant reduzieren“. Der „Wohlbefindenseffekt“ kommt hinzu: Wer seinen Alltag aktiver gestaltet, der fühlt sich auch wohler, zeigen Untersuchungen.

Doch das sitzende Verhalten zu ändern, ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit – und eine mühsame dazu. Mit erhobenem Zeigefinger und guten Vorsätzen allein kommt man da meist nicht weit. Das berühmte „man sollte“ funktioniere eben oft nicht, meinte Schlicht. Doch er gab er eine ganze Reihe von Tipps, wie man am ehesten zum Erfolg kommen kann.

Ohne Motivation läuft nichts

Zunächst bedarf es einer guten Portion Motivation: Man muss sein Verhalten ändern wollen. Ist dann der feste Entschluss gefasst, wirklich etwas zu tun, kommt die Aktion. Dabei sei es am besten, mit sich selbst „eine Art Vertrag aufzusetzen“ – und zwar schriftlich, rät Schlicht. Wichtig sei dabei zunächst, sich „smarte“ Ziele zu setzen: Was will ich warum tun und dann wo, wie und zu welchem Zweck erreichen? Dabei soll man sich auch die Frage stellen, wie viel man investieren möchte. Und sich Gedanken machen, wie man die – realistischen – Ziele erreichen kann. Auch der zeitliche Rahmen ist wichtig: Was will ich in den kommenden zwei, drei, vier Wochen tun?

Wolfgang Schlicht beließ es dabei nicht bei theoretischen Empfehlungen, sondern gab auch ganz praktische Ratschläge – zunächst in seinem Vortrag und später in der persönlichen Diskussion mit Lesern. Zum Beispiel nach dem Frühstück zehn Minuten stramm zu gehen. Oder die sitzende Büroarbeit immer wieder zu unterbrechen, um beispielsweise zum Drucker zu gehen oder persönlich Kollegen aufzusuchen. Oder die Arbeiten am Schreibtisch zumindest zeitweise im Stehen zu erledigen. Und dann verabschiedete sich Wolfgang Schlicht mit einer passenden Folie von seinem Publikum: „Sorry, dass Sie so lange sitzen mussten.“