Im Stuttgarter Club Wizemann gibt sich die Wahlberlinerin Leslie Clio als Diva. Sie hat großes Potenzial, Selbstbewusstsein – und bietet Soul mit packend emotionalen Momenten.

Stuttgart - In einer Zeit, in der die jungen Songwriter den Ton angeben, wirkt sie erfrischend. Leslie Clio hat sich den klassischen Soul zum Vorbild genommen, eifert ihm am Donnerstagabend im Wizemann nach. Sie singt auf Englisch, wird nur begleitet von Bass, Schlagzeug, Keyboard und einer Backgroundsängerin. Auch ihr Bassist singt im Hintergrund. Ihre Songs treten zumeist schwer und rhythmisch auf; die Instrumentierung lässt stets viel Raum für ihre Stimme. Und diese Stimme trägt das Konzert, zusammen mit der kühlen, frechen Attitüde der Sängerin. Leslie Clio will anders sein als andere deutsche Popstars – und dies gelingt ihr auch.

 

Drei Alben hat die 32-jährige Wahlberlinerin in den vergangenen fünf Jahren veröffentlicht. Sie war Gast bei Harald Schmidt und Stefan Raab, trat 2018 bei „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ auf, entzückte Kollegen mit ihrem Gesang. Ihr Stuttgarter Konzert beginnt sie mit ihrer ersten Single. „Told you so“ heißt sie und blieb den Spitzenplätzen der Hitparaden so fern wie ihre späteren Veröffentlichungen. Nur mit „Couldn’t care less“ landete sie 2013 einen kleinen Hit. Der Titel scheint ein Statement zu sein. Leslie Clio singt ihn ganz am Ende eines Konzertes, in dem sie die Stationen ihrer jungen Karriere abgeklopft hat, und sie hat ihr Publikum dabei schon längst auf ihrer Seite. Ihr Soulpop schlägt Funken, das Wizemann tanzt.

Die Sängerin posiert als Diva

Ein Schwerpunkt des Konzerts liegt auf dem Album „Purple“, das sie im Herbst 2017 veröffentlichte. Stücke wie „Darkness is a Filler“, „Fragile“, „And I’m leaving“ haben einen oft ernsteren Ton, den Leslie Clio allerdings nicht konsequent durchhält. „Rumors“ heißt ein weiteres Stück des Albums – „Seltsam, was die anderen sagen, sind doch nur Gerüchte“, kündigt sie es munter plaudernd an. Leslie Clio trägt einen weit geschnittenen, cremefarbenen Hosenanzug, Schuhe mit hohen Absätzen. Ihre Haare sind blond, ihre Lippen rot. Sie posiert schon als Souldiva. Die Lässigkeit, mit der sie sich präsentiert, wirkt in manchen Augenblicken noch etwas gezwungen, aber die Unbeirrbarkeit, mit der sie ihrem Soulpop-Ideal anhängt, beeindruckt. Ihre Stimme kann hoch, schneidend, aber auch sehr warm und voll sein, sie deckt ein breites emotionales Spektrum ab. Leslie Clio zeigt Potenzial – und Selbstbewusstsein.

300 Fans sind am Donnerstagabend ins Wizemann gekommen, um ihr Konzert zu erleben, füllen den kleineren Saal dort zu zwei Dritteln. Beim kleinen akustischen Teil holen ihre Begleiter die akustische Bassgitarre und die Melodika hervor; das Publikum klatscht willig in die Hände, schnippt mit den Fingern. Die letzte Zugabe schließlich kommt vorweihnachtlich daher: schon mit ihren eigenen Songs hat Leslie Clio manch eine Erinnerung an lange vergangene Zeiten geweckt – nun sitzt sie auf einem Barhocker und singt Louis Armstrongs „Wonderful World“.