Vor 55 Jahren wurde Bürgerrechtsaktivist John Lewis auf der Brücke in Selma niedergeprügelt. Nach seinem Tod überquert der verstorbene Kongressabgeordnete die historische Edmund Pettus Bridge ein letztes Mal.

Selma - Die USA erinnern an den kürzlich verstorbenen Bürgerrechtler John Lewis und dessen Errungenschaften für schwarze US-Bürgerinnen und Bürger. Auf einer Pferdekutsche wurde der Leichnam des Kongressabgeordneten am Sonntag über die Brücke und das historische Wahrzeichen, die Edmund Pettus Bridge in Selma, Alabama, gezogen. Menschen hielten Schilder mit Dankesbotschaften an Lewis hoch, andere Trauernde sangen Gospellieder und die Bürgerrechtshymne „We Shall Overcome“. Später wurde sein Leichnam im Kongress von Alabama aufgebahrt.

 

Auf der Brücke waren Lewis und andere Bürgerrechtskämpfer vor 55 Jahren am „Bloody Sunday“ blutig niedergeschlagen worden. Der Marsch wurde zu einem Schlüsselereignis im Kampf um das Wahlrecht für schwarze Amerikaner. Lewis war in Gedenken daran immer im März nach Selma zurückgekehrt. Die Pferdekutsche wurde am Sonntag die historische Strecke von der Kirche Brown Chapel African Methodist Episcopal Church entlang gezogen, wo der Marsch 1965 begonnen hatte. An der Südseite der Brücke, wo Lewis damals von Soldaten geschlagen wurde, legten Familienangehörige rote Rosen ab, die die Kutsche überfuhr und damit die Stelle markierte, wo Lewis damals Blut verloren hatte, als er eine Kopfwunde erlitt.

„Amazing Grace“ und rote Rosenblätter

„Ich musste einfach kommen und sehen, wie John Lewis ein letztes Mal über die Brücke geht“, sagte der 60 Jahre alte Franz Hill. Der Schwarze schilderte, wie er 1965 als Kind im Fernsehen sah, wie Einsatzkräfte auf Lewis und andere Aktivisten einprügelten. „Es ist komisch, die Staatspolizisten hier zu sehen, die ihn ehren und ihm Respekt zollen, statt ihm die Seele aus dem Leib zu prügeln.“ Als eine Ehrengarde Lewis’ Sarg von der Kutsche in ein Auto brachte, richteten Einsatzkräfte aus Alabama einen letzten Gruß an die Bürgerrechtsikone, darunter auch Schwarze.

Der Leichnam wurde ins Capitol von Alabama gebracht, wo Gouverneurin Kay Ivey einen Kranz ablegte und sich Angehörige und andere Menschen von ihm verabschiedeten. Das Lied „Amazing Grace“ wurde gesungen, als der Leichnam herausgetragen wurde.

„Ohne eine Spur von Bitterkeit oder Feindseligkeit“

Bernice King, die Tochter von Bürgerrechtsikone Martin Luther King, sprach gegenüber des Kapitols bei einer Gedenkstunde. „Das erstaunlichste am Abgeordneten Lewis, als er wie tot auf der Brücke gelassen wurde, ist, wie er aufstand, sowohl physisch als auch spirituell. Als er sich erholt hatte, erholte er sich ohne eine Spur von Bitterkeit oder Feindseligkeit oder verlorener Hoffnung in die Demokratie“, sagte King. Sie rief junge Aktivisten auf, sich an Lewis’ gewaltfreier Führung ein Beispiel zu nehmen, und den Kongress, sein Lebenswerk mit einer Erweiterung des Wahlrechtsgesetzes von 1965 zu ehren.

Der 80 Jahre alte Lewis war am 17. Juli nach einer Erkrankung an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben. Er war seit 1987 bis zu seinem Tod für den 5. Kongressbezirk von Georgia im Repräsentantenhaus in Washington gewesen. Sein Leichnam wird in der kommenden Woche auch im US-Kongress aufgebahrt, und Donnerstag wird er in der historischen Kirche Ebenezer Baptist Church beerdigt, wo Martin Luther King Jr. einst predigte.