Die Regierungschefin räumt ein, dass Greta Thunberg und die streikenden Schüler der Koalition Beine machen. Thunberg selbst sagt in Berlin: „Wir werden nie aufhören.“

Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eingeräumt, dass der neue Ehrgeiz der schwarz-roten Koalition in der Klimapolitik ganz wesentlich auf die Proteste streikender Schüler in Deutschland und Europa zurückgeht. „Sie haben uns sicherlich zur Beschleunigung getrieben“, sagte Merkel am Freitag in ihrer traditionellen Sommer-Pressekonferenz.

 

Es sei offenkundig, dass es jetzt auch hierzulande „sehr außergewöhnliche Wetterverläufe“ gebe, sagte die Kanzlerin. Dies zeige, welche Folgen es hat, wenn die Politik beim Klimaschutz nicht oder nur unzureichend handele. Überdies habe die Bundesregierung zur Kenntnis nehmen müssen, dass sie mit ihrer bisherigen Klimapolitik die selbst gesetzten Ziele zur Treibhausgas-Reduktion nicht erreichen kann.

Mit Blick auf die Aktivistin Greta Thunberg und die von ihr initiierten Klima-Proteste sagte Merkel: „Wir hatten ja schon vor Greta im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir ein Klimaschutzgesetz brauchen. Aber die Ernsthaftigkeit, mit der Greta, aber auch viele, viele junge Leute uns darauf hinweisen, dass es um ihr Leben geht, dass ihre Lebensperspektive einfach eine weitaus längere ist, die hat uns schon noch mal dazu gebracht, entschlossener an die Sache heranzugehen.“

Thunberg in Berlin

Thunberg selbst rief ihre Mitstreiter in Berlin bei einer erneuten Kundgebung auf, weiterhin für den Klimaschutz zu demonstrieren. „Wir werden nie aufhören“, kündigte die 16-jährige Schwedin bei der Demonstration an.

Kanzlerin Merkel bekräftigte, dass die Bundesregierung in der zweiten September-Hälfte grundlegende Beschlüsse in der Klimapolitik fassen wolle. Im Gespräch ist unter anderem, das Treibhausgas Kohlendioxid mit einem Preis zu belegen, um bei den Verbrauchern Anreize für ein klimaschonendes Verhalten zu setzen und den technologischen Wandel zu beschleunigen. Wie genau die CO2-Bepreisung ausgestaltet werden soll und was die Bürger dafür im Gegenzug bekommen, ist allerdings noch unklar. Merkel sagte, es müsse auch darauf geachtet werden, dass derartige Maßnahmen sozial verträglich seien und die Unternehmen nicht überforderten.

Am Donnerstag hatte im Kanzleramt unter Merkels Leitung zum dritten Mal das so genannte Klimakabinett getagt, dem neben der Regierungschefin diverse Fachminister angehören. Konkrete Entscheidungen fällte die Runde nicht. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach nach der Sitzung von einer „intensiven Diskussion“. Es gebe noch viel zu klären.

Bei den jüngsten Europawahlen Ende Mai waren Union und Sozialdemokraten von den Wählern abgestraft worden – auch deshalb, weil sie nach Auffassung vieler Bürger der Klimapolitik bislang zu wenig Aufmerksamkeit schenkten.

Die Koalition will unbedingt sicherstellen, dass das nationale Klimaziel für 2030 erreicht wird: Deutschland steht bei seinen internationalen Partnern im Wort, bis dahin seinen Treibhausgas-Ausstoß um mindestens 55 Prozent unter das Niveau von 1990 zu drücken. Das Ziel für 2020 – eine Reduktion um vierzig Prozent gegenüber dem Jahr der Wiedervereinigung – wird Deutschland voraussichtlich weit verfehlen. Im Rahmen eines verstärkten Klimaschutzes ist auch geplant, binnen zwanzig Jahren aus der Kohleverstromung auszusteigen. Die dafür notwendigen Gesetze sind ebenfalls noch in der Vorbereitung.

Hofreiter fordert mehr Tempo

Die Grünen im Bundestag forderten die Regierung am Freitag auf, mehr Tempo beim Klimaschutz zu machen und schnellstmöglich konkrete Schritte einzuleiten. „Die Bundesregierung hat bis jetzt nur Worthülsen produziert“, monierte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wenn es um konkrete Tagen geht, steht die Regierung mit leeren Händen da.“ Das sei unverantwortlich.

„Die Klimabewegung, die Anstrengungen der Automobilindustrie, die Forderung der Gewerkschaften mit den Umweltverbänden zeigen: Die Menschen in Deutschland wie auch die Wirtschaft sind viel weiter“, sagte Hofreiter.

Die Kanzlerin betonte bei ihrem letzten Auftritt, bevor sie ihre Sommerpause beginnt, dass die große Koalition in den kommenden Monaten neben dem Klimaschutz diverse andere Großprojekte angehen wolle. „Es liegen noch viele Aufgaben vor uns. Deshalb wird der Herbst auch sehr arbeitsreich sein.“

Im Frühherbst soll es einen Gesetzentwurf geben für den Abbau des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent derjenigen, die ihn zahlen. Teile der Union wollten den Soli ursprünglich ganz abschaffen, also auch für die obersten Einkommensgruppen. Auch an der umstrittenen Grundrente arbeite die Koalition weiter, wobei die Union weiterhin auf einer Bedürftigkeitsprüfung besteht. Schwarz-Rot plant darüber hinaus weitere Schritte zur Bekämpfung der Wohnungskrise. Mit den Ländern will der Bund über gleichwertige Lebensverhältnisse reden. Die Kanzlerin zeigte sich zuversichtlich, dass die Koalition bis zum Ende der Wahlperiode hält.