Das Konzert von Levin goes lightly am Dienstagabend im White Noise in Stuttgart lehrt zweierlei. Erstens: Bowie lebt. Zweitens: Bitte mehr Konzerte in Technoclubs!

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Der White-Noise-Club hat mit seinem Beton-Interieur was von Bunker und Kaltem Krieg. Levin goes lightly und seine Weggefährten Thomas Zehnle (Bass, Gitarre) und Paul Schwarz (Schlagzeug) machen freilich genau das Gegenteil dessen, was betonierte Schutzbauten einst leisten sollten: Druckwellen draußen zu halten. Momentweise scheint es, als wäre die Band selbst überrascht, wie kraftvoll die Bässe und Subbässe über die White-Noise-Anlage das Innerste der Zuhörer durchschütteln. Doch darum geht es Levin goes lightly ja seit seinen ersten musikalischen Gehversuchen am Nordbahnhof: Grenzen ausloten, auch Grenzen der Belastbarkeit.

 

Sein neues Album "Ga ps" ist wieder einmal maximales Gefühl in maximal künstlichem Sound. Deshalb passt das Konzert perfekt an einen Ort, an dem sonst nur Maschinenmusik gespielt wird. Das Becken, mit dem Paul Schwarz am Schlagzeug erstaunlich variantenreiche Akzente setzt, ist am Dienstag neben Levins Stimme die einzige natürliche Klangquelle im Raum. Und doch wirkt dieses Konzert nie artifiziell - was nicht zuletzt an Levin goes lightly selbst liegt, der sich anfangs zu den besonders düster-sedierten Songs seiner Albums im spärlichen roten Clublicht sonnt, sich mit zunehmendem Fortgang des Abends und steigender Lautstärke an dieser Musik aber zusehends selbst berauscht, "Speedways" vom Vorgängeralbum ist diesbezüglich wieder der hypnotische Höhepunkt. Man kann den Song bis heute als musikalischen Gruß von Joy Division hören, mit Levin goes lightly als Ian Curtis' musikalisches Medium. 

Immer neue Identitäten

Jetzt aber doch noch was zu Bowie. Irgendjemand hat Levin goes lightly mal als "Bowie vom Nordbahnhof" bezeichnet, in der Promo für das neue Album fiel der Name immer wieder. Ein Faible für Schminke und künstliche Identitäten hatte der Musiker ohnehin schon immer. Man darf anhand solcher Oberflächlichkeiten nicht die Gleichung Levin = Bowie aufstellen. Und doch ist sie richtig, aber das erschließt sich erst mit dieser neuerlichen Häutung des Musikers.

Wie Bowie nimmt Levin goes lightly immer neue (musikalische) Identitäten an: er fing als einsames Bühnenwesen an, gab ein denkwürdiges Suicide-Gedächtniskonzert mit zwei Orgeln beim Klinke-Festival im Merlin 2014, übersetzte bei der Release-Party im Schocken 2015 seine Musik für eine Liveband und wird jetzt zum echten Club-Act. Stets schafft er es, seine Songs in neue Gewänder zu hüllen. Dass man sich dabei am Ende immer an vor allem intensive Liveshows erinnert, zeigt nur, wie gut die Songs sind und die Musiker, mit denen Levin sich umgibt.

Er spricht ja auch ganz offen über diese Identitäten. Das zerstört nicht die Illusion, sondern zeugt von Souveränität. Alles andere wäre eh Quatsch, zumal in der Stadt, deren musikalischer Sohn er ist. Deshalb (und vielleicht auch mangels Backstagebereich) steigt Levin am Dienstagabend gewissermaßen direkt aus Plaudereien mit Freunden heraus auf die Betonbühne im White Noise und macht nach dem Konzert genau so weiter. Seine Musik klingt unnahbar, der Künstler ist es nicht. Hätte Bowie sich auf eines von beiden festlegen lassen? Eben.


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