Eine ungewöhnliche Freundschaft: In einem jordanischen Camp hat Liam Cunningham, Star aus „Game of Thrones“, den Flüchtlingsjungen Hussam kennengelernt. Jetzt haben sich beide in Böblingen wiedergetroffen.

Stuttgart - Liam Cunningham, Ser Davos aus der Kultserie „Game of Thrones“, ist verwundert: „Dass ich Hussam mal auf einem Filmplakat sehe, hätte ich nicht gedacht“. Er rückt sich die Brille zurecht und mustert ein überdimensionales Poster im beschaulichen Metropol-Kino. Denn während alle Welt gespannt auf die finale Staffel des Fantasy-Epos wartet, fiebert Cunningham mit jemand ganz anderem mit: dem syrischen Flüchtling Hussam Al-Heraki, der ausgerechnet in Böblingen seine erste Filmpremiere feiert.

 

Vor drei Jahren, als Cunningham mit einer Hilfsorganisation im Nahen Osten unterwegs war, lernten sich die beiden im Flüchtlingscamp Zataari mitten im Nirgendwo der jordanischen Wüste kennen – einem Nicht-Ort, an dem hinter provisorisch inszeniertem Alltag die Unsicherheit lauert. Bleiben wollte hier eigentlich niemand: 2012 hatte man das Camp in neun Tagen aus dem Boden gestampft, im Glauben, dass sich der angrenzende Syrienkonflikt schnell wieder legen würde. Vier Jahre später stehen auf der unwirtlichen Anhöhe Container statt Zelte. Und die Flüchtlinge blieben. Doch für den heute 18-jährigen Hussam war das Camp nur eine Durchgangsstation. Sein Ziel: Deutschland.

„Ich war sofort fasziniert von dem Jungen und seinem starken Willen“, erinnert sich Cunningham an seinen Besuch im Camp. „Er lernte damals gerade mit seinem Smartphone über You-Tube deutsch, weil er hier niemandem zur Last fallen wollte.“

Der Star gibt Ratschläge

Heute lebt Hussam mit Vater und Bruder in Fellbach. Den Kontakt zum Game-of-Thrones-Star hat er aber nie verloren. Über Whatsapp erzählte er ihm von seinen Schauspielambitionen – und erntete eine ernüchternde Reaktion: „Ich meinte: Mach das bloß nicht. Da liegt die Arbeitslosenquote bei 90 Prozent“, sagt Cunningham. Hussam jedoch schüttelt lachend den Kopf. „Diesen Tipp werde ich bestimmt nicht annehmen.“ Hat er auch nicht: In „Halbnah“, dem im Sindelfinger Gymnasium Unterrieden entstandenen Schülerfilm, spielt der die Hauptrolle – und zur Kinopremiere hat er auch Cunningham eingeladen: „Dass er extra aus Irland herfliegt, hätte ich nie gedacht. Umso mehr freut es mich.“

Bis sich die Freunde jetzt aber tatsächlich in Böblingen wiedersahen, dauerte es aber eine Weile. Denn während Cunningham sich die Stunden mit Eiskugeln, Fan-Selfies und Zigaretten rauchen vertrieb, stand Hussam auf der Autobahn im Stau. Für den gebürtigen Iren eine willkommene Verschnaufpause nach den finalen Dreharbeiten zu „Game of Thrones“.

„Rechtspopulisten werden von Angst getrieben“

Sieben Staffeln lang spielte der gebürtige Ire den Zwiebelritter Ser Davos, in der Serie eine der wenigen aufrechten Figuren mit moralischem Kompass. Gerade hat er die letzte Staffel abgedreht und kehrt nun nach Jahren des Dauer-Hypes endgültig in die Realität zurück. „Ein seltsames Gefühl“, gibt er zu. Doch es ließen sich auch Parallelen zwischen beiden Welten ziehen, der fiktiven und realen. Während in „Game of Thrones“ brutal gemetzelt und intrigiert wird, erkennt Cunningham auch in aktuellen politischen Entwicklungen Spaltungstendenzen: „In ,Game of Thrones’ gibt es viele Figuren, die verbissen um Macht kämpfen und jegliche Moral vergessen. In der Realität passiert etwas Ähnliches: Es gibt Kräfte, die die Flüchtlingskrise nutzen, um sich selbst Macht zu sichern.“ Rechtspopulistische Parteien wie die AfD zum Beispiel, sagt der politisch denkende, auch die deutsche Debatte verfolgende Serienstar. „Ich glaube, dass viele der Sympathisanten nicht von Fremdenhass getrieben werden, sondern von Angst. Und von den Personen, die diese Angst skrupellos ausnutzen.“

Gerade in einem solchen Klima, möchte man meinen, fehlt der Politik ein aufrechter Ser Davos – und Cunningham nickt. „Ser Davos ist der vielleicht glücklichste Charakter im brutalen Game-of-Thrones-Universum. Weil er an seinen Werten festhält und alle gerne mit im Boot hätte. Auch wir sollten jetzt nicht schweigen. Abende wie heute zeigen, dass der Umgang mit Flüchtlingen, gerade in Deutschland, eine Erfolgsgeschichte sein kann.“

Von diesem Erfolg zeugt auch der 16-minütige Schülerfilm „Hautnah“, der von den Konflikten in einer syrischen Flüchtlingsfamilie erzählt – mit Hussam Al-Heraki in der Hauptrolle. Liam Cunningham ist froh über die Entwicklung seines Schützlings: „Vor ein paar Jahren hatte er Angst, hier keinen Anschluss zu finden. Und jetzt das!“