Ob Holz, Dämmstoffe oder Metall – die Bauwirtschaft klagt über Lieferengpässe. Dadurch verzögern sich viele Projekte und verteuern sich die Gesamtkosten. Das hat auch Folgen für die Kommunen.

Ludwigsburg - Es ist fast schon verrückt: Das Baugewerbe hat trotz der Coronakrise gute Geschäfte gemacht. Doch „jetzt erwischt es uns voll“, sagt Nicole Ackermann, die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Ludwigsburg. Auch die Bauwirtschaft Baden-Württemberg, der Landesverband Holzbau und der baden-württembergische Handwerkstag klagen. „Große Lieferprobleme und stark steigende Materialpreise verzögern viele Projekte und verteuern die Gesamtkosten“, so der Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold. Die Folge: Die Betriebe könnten nicht mehr kostendeckend arbeiten, die Kunden ärgern sich über Verzögerungen oder stornieren Aufträge. Klagen sind auch aus den Kommunen zu hören, denen es immer öfter passiert, dass sich nur wenige Unternehmen an den Ausschreibungen beteiligen. „Früher“, berichtet Sven Koch, Leiter des Hochbauamts der Stadt Kornwestheim, „hat man bei uns die Klinke poliert, heute sind wir es, die hinterhertelefonieren.“ Wenn die Beteiligung auf Ausschreibungen gering ist, dann verschickt sein Fachbereich vor Ende der Frist auch schon mal Erinnerungsmails an Firmen – in der Hoffnung, dass doch noch das eine oder andere Angebot eintrudelt.

 

Weltweit begehrte Handelsware

Der Rohstoff Holz sei mittlerweile zu einer wertvollen und weltweit begehrten Handelsware geworden, erklärt Gerd Renz, der Präsident von Holzbau BW. Die Nachfrage aus China und den USA sei enorm gestiegen. Zudem gab es in Ländern, in denen Baustoffe produziert werden, oft wegen Corona monatelange Werkschließungen, und auch die Lieferketten funktionierten nach wie vor nur schleppend, so Markus Böll, der Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg.

Helmut Rikker, Geschäftsführer eines Affalterbacher Holzbauunternehmens, kann hiervon ein Lied singen: „Es wird von Tag zu Tag schlechter mit den Materialpreisen und den Lieferzeiten.“ Fast täglich kämen Preiserhöhungen, die Lieferzeit betrage zum Teil bis zu 20 Wochen. Das mache es schwer, Angebote abzugeben, weil man ja auch „vernünftig und ehrlich kalkulieren“ wolle. „Keiner kann sagen, wo der Preis hingeht.“

„Selbst die Farbe geht inzwischen aus“

Uwe Scheuffele, Bauunternehmer aus Bietigheim-Bissingen, hegt außerdem Zweifel, ob wirklich nur die Coronakrise und verstärkte Nachfrage aus dem Ausland die Ursachen für die derzeitige Lage seien. „Ich glaube, da ist auch ein bisschen Methode dabei; manche Hersteller nutzen sicher auch die Situation aus.“ Er hortet das Bauholz, so er welches bekommt: „Wir haben zum Glück rechtzeitig geordert.“

Daran, dass einheimisches Holz überwiegend ins Ausland verkauft wird, kann es zumindest im Kreis Ludwigsburg nicht liegen. Andreas Fritz, Pressesprecher des Landratsamts, erklärt: „Wir haben im aktuellen Forstwirtschaftsjahr nur 1,48 Prozent des Holzes ins Ausland verkauft – ausschließlich nach Österreich und Frankreich.“ Der Kreis veräußert Holz aus den Kommunalwäldern sowie ein wenig aus dem Kleinprivatwald. Daraus folgert Fritz: „Die Gründe für die Rohstoffknappheit findet man demnach nicht bei den Waldbesitzern und Förstern, sondern eher bei den weiterverarbeitenden Betrieben.“

Indes ist Holz nicht das einzige Baumaterial, das knapp ist und dementsprechend zu hohen Preisen gehandelt wird. „Metall und Dämmstoffe sind betroffen, selbst die Farbe geht inzwischen aus“, sagt Nicole Ackermann, Eleni Auer nennt zudem Bitumen und Kunststoffe. Das bestätigt Matthias Gustav Schüle, Bauunternehmer aus Pleidelsheim: „Die Preissteigerung bei Kunststoffen, Stahl und Holz ist erheblich, ebenso die Lieferengpässe.“ Zuerst habe es nur Probleme bei Dämmstoffen gegeben, jetzt seien auch Entwässerungsrohre betroffen, „und das ist eigentlich Massenware“. Eine seiner Baustellen etwa habe bereits eine Woche stillgestanden.

Unternehmen überlegen bis zur letzten Sekunde

Doch die öffentliche Hand habe bei der ganzen Geschichte noch ein wesentlich größeres Problem als private Bauherren, erklärt Schüle: „Die Ausschreibungen sind sehr viel komplizierter, weil das Bieterverfahren für alle gleich sein muss. So müssen beispielsweise Preisgleitklauseln, die steigende Preise mit einbeziehen, für alle gelten.“ Und in der freien Wirtschaft sind die Gewinnmargen auch höher, ergänzt der Kornwestheimer Hochbauamtsleiter Sven Koch. Unternehmen würden sich mitunter nur aus Verbundenheit mit einer Kommune an Ausschreibungen beteiligen. Ein Auftrag der öffentlichen Hand sei, sagt er, manchmal nur ein „Nice to have“, ein Baustein für die Grundauslastung des Betriebs sozusagen. Und was Koch auch beobachtet hat: Die Angebote auf Ausschreibungen werden immer häufiger „Spitz auf Knopf“ abgegeben. Die Unternehmen überlegen bis zur letzten Sekunde, ob sie sich beteiligen.

„Würden sogar in Vorkasse gehen“

Die Gemeinde Pleidelsheim wollte eigentlich den neuen Bauhof in Holzbauweise errichten, ist davon aber abgerückt und setzt jetzt auf Beton und Stahl. Bürgermeister Ralf Trettner erzählt weiter, dass sich auch der Bau eines 14-Familien-Hauses, in dem preiswerter Wohnraum entstehen soll, verzögert, weil das Dämmmaterial nicht eintrifft: „Wir würden sogar in Vorkasse gehen und das Material beim Bauhof lagern, aber die Firmen bekommen von den Lieferanten nichts.“

Manchmal allerdings gibt’s auch Lichtblicke: Die Stadt Kornwestheim will das Ernst-Sigle-Gymnasium energetisch sanieren. Auf die Ausschreibung sind sage und schreibe 13 Angebote eingegangen. Erklären kann sich das Sven Koch nicht. Aber er freut sich.