Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat die linksextremistische Internetplattform „linksunten.indymedia.org“ verboten. Wichtige Fragen und Antworten zu dem Vorgehen.

Berlin - Die Behörden haben die Linksextremisten-Plattform schon lange im Visier. Im Zusammenhang mit den G20-Krawallen in Hamburg verdichten sich die Erkenntnisse, jetzt schlagen die Ermittler zu. Fragt sich nur: Kann das Verbot tatsächlich umgesetzt werden?

 

Was wird den Betreibern der Plattform vorgeworfen?

Dem Verfassungsschutz galt die 2008 gegründete Seite als wichtigstes Medium der wachsenden gewaltorientierten linksextremen Szene. Im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg wurde dort zu gewalttätigen Protesten aufgerufen. Zur Begründung des Verbots veröffentlichte das Ministerium eine lange Liste von Beiträgen mit strafbaren Inhalten, Bekennerschreiben zu Straftaten und verfassungsfeindlichen Inhalten. Auch Anleitungen zum Bau von Brandsätzen wurden auf der Plattform veröffentlicht.

Warum gab es nicht schon früher ein Verbot?

Die Behörden hatten die Plattform schon lange im Visier. Jahrelang war es nach Angaben aus Sicherheitskreisen aber schwierig, die Betreiber ausfindig zu machen, weil sie unter großer Geheimhaltung agierten. Wegen der strafbaren Inhalte auf der Seite habe es zahlreiche Anzeigen gegeben. Strafverfahren gegen Unbekannt mussten aber eingestellt werden, weil die Urheber nicht ermittelt werden konnten.

Unter anderem im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel hätten sich die Erkenntnisse dann verdichtet. Unter anderem gab es zu einzelnen Personen, die als Betreiber ins Visier geraten sind, Erkenntnisse, dass sie der linksextremistischen Szene angehören. Bei den Überlegungen, ob die Seite verboten werden soll, dürfte von Staatsschützern auch die Frage erwogen worden sein, ob bei einem Verbot eine ziemlich offene Erkenntnisquelle versiegen würde. Im Endeffekt sei aber klar gewesen, dass man nicht Straftaten zulassen könne, um die Szene einfacher beobachten zu können, hieß es.

In Sicherheitskreisen war zudem zu hören, man habe mit dem Verbot deutlich signalisieren wollen, dass man strafbares Verhalten nicht einfach laufen lasse. Dass dabei auch der Bundestagswahlkampf eine Rolle gespielt haben könnte, kann nur vermutet werden. Nicht nur die Anhängerschaft der Union dürfte die Entscheidung aber begrüßen.

Was ist der Unterschied zwischen den indymedia-Plattformen?

Das internationale Portal „indymedia.org“ wurde im Umfeld der Proteste gegen ein WTO-Treffen von Wirtschafts- und Handelsministern 1999 in Seattle als Plattform für Medienaktivisten eingerichtet. Offizieller Träger ist der brasilianische Verein Associacao Brasileira Democratizacao da Comunicacao. Die Aktivisten sehen sich als Teil der globalisierungskritischen Bewegung, die international Graswurzel-Initiativen vernetzen wollen. In Deutschland wurde die Subdomain „linksunten.indymedia.org“ von der linksextremen Szene auch zur Koordination von Aktionen und Selbstbezichtigungen von politisch motivierten Straftaten verwendet.

Welche Funktion hatte die Plattform im linksextremen Spektrum?

Anonyme Nutzer diskutierten in Foren etwa, ob Gewalt im politischen Kampf gegen den Kapitalismus legitim sei, ob Brandanschläge auf Autos zum richtigen Ziel führen oder wie Hausbesetzungen begründet werden sollten. Nur leicht verklausuliert riefen manche Nutzer zu Gewalttaten auf. Vor dem 1. Mai in Berlin wurde der Angriff auf Polizisten („Bullenschweine“) bei den Demonstrationen gefordert.

In Freiburg wurde das links-alternative Zentrum KTS durchsucht. Welche Rolle spielt es im der Szene?

Der „Kulturtreff in Selbstverwaltung“ (KTS) in Freiburg gilt als Zentrum der links-alternativen Szene in der Universitätsstadt. Nach Angaben der Polizei und des baden-württembergischen Innenministeriums diente er als regelmäßiger Treffpunkt der Mitglieder von „linksunten.indymedia.org“. In der Struktur ähnelt er dem umstrittenen linksautonomen Kulturzentrum Rote Flora in Hamburg und weiteren Szenetreffs wie etwa in Berlin und Leipzig. Freiburg hat seit den späten 60er Jahren eine starke links-alternative Szene.

Welche Probleme gibt es bei der Durchsetzung des Verbots?

Welche Probleme gibt es bei der Durchsetzung des Verbots?

Die deutschen Sicherheitsbehörden konnten die Internetplattform nicht einfach abschalten, weil der Server nach Erkenntnissen der Ermittler in Frankreich steht. Deswegen sollte ein Rechtshilfeersuchen an die französischen Behörden gestellt werden. Unklar war, wie schnell diese das Gesuch beantworten würden.

Welche Möglichkeit haben die Linksextremisten, die Sperre zu umgehen?

Die Administratoren der Haupt-Domain indymedia.org können die Subdomain mit einem anderen Server verbinden und dort die Site weiter betreiben. Bislang wurde die Seite beim französischen Provider OVH betrieben, der nach Medienberichten auch technische Dienstleistungen für die Enthüllungsplattform Wikileaks zur Verfügung stellt. Die Site war am Freitagmorgen zunächst noch online, am Vormittag erschien dann nur noch der Text: „Wir sind offline.“

Sollten Aktivisten auf Server in Russland, der Ukraine, den USA oder ein anderes Land umziehen, wäre es für die deutschen Behörden sehr schwierig, ein Verbot durchzusetzen. Wie schwierig es für Strafverfolgungsbehörden ist, eine verbotene Website dauerhaft aus dem Netz zu nehmen, kann man auch an der Site „The Pirate Bay“ sehen, die Web-Piraten den illegalen Austausch von Filmen und anderen Inhalten ermöglicht.

Gab es schon früher Verbote von extremistischen Internetplattformen?

Das Neonazi-Internetportal „Altermedia Deutschland“ wurde im Januar 2016 vom Bundesinnenministerium verboten. Laut Bundesanwaltschaft war „Altermedia“ bis dahin das führende rechtsextremistische Internetportal im deutschsprachigen Raum. Die Betreiber nutzten einen Server in Russland. Im Januar 2017 erhob die Bundesanwaltschaft Anklage wegen Volksverhetzung gegen fünf Beschuldigte. Außerdem geht es um die Gründung oder Mitgliedschaft in einer rechtsterroristischen Vereinigung.