Dass Bücher keineswegs nur etwas für Liebhaber sind, beweisen die Literaturtage, die an Samstag, 13. Oktober, in Ludwigsburg beginnen. Für die Stadt ist das Festival eine große Ehre, für die Besucher kann es ein Glücksfall werden.

Region: Verena Mayer (ena)

Ludwigsburg - Ganz Deutschland schaut nach Frankfurt, wo diese Woche die Buchmesse begonnen hat. Doch so weit muss man gar nicht reisen, um interessante Bücher und Autoren kennenzulernen, das ist auch in Ludwigsburg möglich. Die Stadt darf in diesem Jahr die baden-württembergischen Literaturtage ausrichten. Sicher ist schon jetzt: Die zwei Wochen währende Veranstaltung ist nicht nur etwas für Liebhaber der Literatur.

 

Was sind die Literaturtage?

Man könnte sagen, die Literaturtage in Ludwigsburg sind ein zweiwöchiger Urlaub, für den man nicht verreisen muss. Das Motto der Veranstaltung lautet „Stadt werden“ – wie das Motto Ludwigsburgs zum 300-Jahr-Jubiläum. Deshalb spielen in vielen Büchern, Gedichten und Vorträgen Städte eine indirekte Hauptrolle. Istanbul und Mumbai zum Beispiel in Ulla Lenzes Roman „Die endlose Stadt“. Oder Madrid in Anna Katharinas Werk „Das Kleid meiner Mutter“. „In der Fantasie reisen wir die ganze Zeit an andere Orte“, sagt Matthias Göritz, einer der beiden Kuratoren der Literaturtage – die offiziell ein Literaturfestival sind.

Was sind die Höhepunkte?

Kurz gesagt: Alles! So zumindest dürften das Organisatoren der einzelnen Veranstaltungen sehen. Davon gibt es rund 20 Stück an verschiedenen Stellen: Im Kulturzentrum, im Kunstzentrum Karlskaserne, im Scala und natürlich auch in der Stadtbibliothek – um nur ein paar Orte zu nennen. Nichtsdestotrotz: Fünf Events ragen bei den Literaturtagen besonders heraus. Die vier sogenannten Langen Nächte und der Große Baden-Württemberg-Tag. Die Lange Nacht der Stadt am Samstag, 13. Oktober, markiert den Auftakt der Literaturtage. Vier Autoren, darunter Ulla Lenze und Anna Katharina Hahn, lesen dabei aus ihren Romanen. Außerdem gibt es eine Lange Nacht der Poesie (19. Oktober), eine Lange Kriminacht (20. Oktober) und eine Lange Nacht der Zukunft (27. Oktober). Lang in diesem Fall bedeutet nicht, dass die Besucher stundenlang still sitzen müssen. Am Großen Baden-Württemberg-Tag (14. Oktober) verwandelt sich das Kulturzentrum in ein Lese-, Bastel, Spiele- und Konzertland für die ganze Familie.

Ist das alles auch interessant, wenn man nicht so gerne liest?

Unbedingt! Natürlich wissen die Kuratoren und die Stadt, wie das klingt: Literaturtage. Nach trockenen Vorträgen und gediegenen Lesungen, denen nur eingefleischte Germanisten oder sonstige abgehobene Akademiker folgen wollen und können. Genau diese Vorbehalte sind bei den Ludwigsburger Veranstaltungen fehl am Platz. „Es gibt keine Hemmschwelle bei Büchern“, sagt Matthias Göritz. Und: „Jedes Buch, das gut ist, unterhält.“ Das Schöne an (guten) Büchern ist ja, dass man durch sie mehr erfährt – über andere Menschen, über andere Länder, über andere Gedanken, und dass man deshalb die Welt besser verstehen kann. Wenn also zum Beispiel Vincenzo Todisco von einem kleinen Italiener erzählt, der sich in den 60er Jahren in der Schweiz durchschlägt, oder Mary Jo Bang die Worte vorträgt, die sie für den Tod ihres Kindes gefunden hat, kann das keinen unberührt lassen. Oder wie es der Kurator Matthias Göritz formuliert: „Gute Geschichten sind für alle offen. Kommen Sie, hören Sie, lesen Sie!“

Kommen auch Promis?

Das ist relativ: Eine wie Daniela Katzenberger wurde gar nicht erst eingeladen, auch ein Robert Seethaler ist in Ludwigsburg nicht zu finden. Allerdings sind mit Volker Kutscher und Jan Seghers zwei Autoren dabei, deren Protagonisten extrem bekannt sind: Gereon Rath, der Kriminalkommissar aus „Babylon Berlin“ und Kommissar Robert Marthaler, der erfolgreich im ZDF ermittelt. Und mit Jean-Philippe Toussaint ist auch tatsächlich ein internationaler Literaturstar zu Gast. Er hat unter anderem die exzentrische Modeschöpferin Marie und deren außergewöhnliche Liebesgeschichte erfunden.

Lesen auch Ludwigsburger Autoren?

Jein. Schriftsteller aus der Stadt treten bei den Literaturtagen nicht auf, trotzdem ist die Stadt literarisch präsent. So stellt die eigens verpflichtete Stadtschreiberin Rike Scheffler am 19. Oktober ihr in und für Ludwigsburg geschaffenes Werk vor. Die selbst ernannten Stadtschreiberinnen um Regina Boger lesen aus Geschichten, die „Ludwigsbürger“ auf der gleichnamigen Homepage verfasst haben. Außerdem lesen, speziell am Baden-Württemberg-Tag regionale Autoren wie Thommie Bayer und Kai Wieland. Der Schriftsteller und Lyriker Ulf Stolterfoht, der hilft, die Lange Nacht der Poesie kurzweilig zu machen, lebt zwar in Berlin, stammt aber aus Stuttgart.

Braucht man Eintrittskarten?

Die meisten Veranstaltungen sind frei zugänglich. Lediglich die Langen Nächte und die Lesung mit Vincenzo Todisco kosten Eintritt. Karten zwischen acht und zehn Euro gibt es bei allen Easy-Ticket-Vorverkaufsstellen und an der Abendkasse.

Was haben die Literaturtage mit dem Ludwigsburger Stadtjubiläum zu tun?

Das Stadtjubiläum (Motto: Stadt werden) widmet sich mit all seinen Veranstaltungen der Frage, was eine städtische Gesellschaft ausmacht. Die Autoren für das Festival sind deshalb danach ausgewählt worden, wie sie sich mit diesen Themen befassen. Nicht nur, dass sich das Publikum auf imaginäre Reisen begibt, die Texte der Autoren suchen auch Antworten auf die Fragen, wie Menschen miteinander leben, wie sie miteinander umgehen, welche Werte ihnen wichtig sind. „Literatur ist dafür eine super Plattform“, sagt Wiebke Richert, die Leiterin des Fachbereichs Kunst und Kultur bei der Stadt Ludwigsburg.

Was bedeutet die Ausrichtung der Literaturtage für Ludwigsburg?

Seit 2007 feiert die Stadt jedes Jahr ein Literaturfest – auch dort treten renommierte Autoren auf. Die Literaturtage nun haben allerdings eine ganz andere Dimension. „Die Ausrichtung ist eine riesengroße Ehre“, sagt Wiebke Richert. Und abgesehen davon, dass in Ludwigsburg bis Ende Oktober viele Besucher im besten Sinne unterhalten werden, kann die Stadt, die zwischen Stuttgart (Literaturhaus) und Marbach (Literaturarchiv) liegt, literarisch auch mal richtig strahlen.

Wann genau geht es los?

Eröffnet werden die Literaturtage mit der Langen Nacht der Stadt am Samstag, 13. Oktober, um 19.30 Uhr im Scala. Dort lesen neben Anna Katharina Hahn und Ulla Lenze auch Ales Steger und Jean-Philippe Toussaint. Die Lesungen sind, wie bei allen Langen Nächten, in zwei Blöcke und eine Pause unterteilt – und die Besucher können sich zwanglos mit den Autoren unterhalten.