Little Steven hat im Wizemann mit einer traditionsbewussten, üppig abgefassten Rock’n’Soul-Revue überzeugt.

Stuttgart - Die Architekten des Wizemann haben ihre Konzertsäle eigentlich großzügig geplant. Aber manchmal wird es selbst auf der ordentlich dimensionierten Bühne gegenüber dem Rosensteinpark etwas eng. Ein fünfköpfiger Bläsersatz, drei Begleitsängerinnen, zwei Keyboarder, zwei Rhythmusgeber an Schlagzeug und Perkussion, dazu ein Bassist, ein zweiter Gitarrist und der Chef persönlich: Stolze fünfzehn Mitglieder zählt das Ensemble von Steven Van Zandt, das am Samstagabend zur Arbeit erscheint – eine Big-Band-Besetzung, die das Wizemann räumlich an seine Grenzen heranführt, aber auch den Ticketpreis ins Positive relativiert.

 

Happige zweiundfünfzig Euro kosten die Tickets an diesem Abend, eine ordentliche Stange Geld für ein Clubkonzert. Doch Little Steven und seine Disciples of Soul zahlen mit einer mehr als zweieinhalbstündigen Reise durch amerikanische Roots Music von Blues bis Soul und Rock gut zurück. Vergangenes Jahr erst hat Van Zandt seine langjährige Band nach rund fünfzehnjähriger Auszeit mit dem Album „Soulfire“ wiederbelebt – und musiziert darauf so traditionsbewusst, als wäre die Zeit stehengeblieben. In Schlagdistanz zum Southern-Rock und der jazznahen New-Orleans-Music eines Dr. John startet auch der mit rund eintausend Fans fast ausverkaufte Auftritt in Stuttgart konventionell und erdig. Der Tontechniker und der vorzügliche Bläsersatz – mit dabei auch die beiden Saxofonisten Stan Harrison (Tenor) und Eddie Manion (Bariton) aus alten Asbury-Jukes-Zeiten – pegeln sich zwar noch ein wenig ein, aber die Posaune von Clark Gayton quakt bereits da wie ein Ochsenfrosch in den Mississippi-Sümpfen.

Räudige Gitarre und romantisches Akkordeon

Nach und nach verschiebt sich der musikalische Fokus fortan über eine ordentliche Portion Rock-Reggae sowie einen Abstecher in Mink DeVille-nahen Tex-Mex-Sound mit räudiger Gitarre und romantischem Akkordeon hin zu Soulrock und Rock’n’Roll. Klassiker wie „Coming back” oder „I don’t want to go home“ aus Van Zandts Zeiten mit der Southern-Rock-Band Southside Johnny & The Asbury Jokes gehören ebenso zum Programm wie Coverversionen aus dem Werk von Gleichgesinnten – bei „Standing in the line of fire“ von Gary „U.S.“ Bonds staubt es förmlich auf der Bühne.

Als Endpunkt dieser Revue böten sich nun die Working-Class-Hymnen eines Bruce Springsteen an, zumal Van Zandt als langjähriger Saitenmann von Springsteens E Street Band jeden Akkord, jeden Riff seit „Born to Run“ wie im Schlaf beherrscht. Und wer sich auskennt im Little-Steven-Œuvre, erinnert sich gut daran, dass selbst glamourös geschminkter Keyboard-Rock in Bon-Jovi-Manier einmal zum Repertoire von Little Steven gehörte (man denke nur an einen Song wie „Los Desaparecidos“ vom 1984er-Album „Voice of America“). Aber diese Kapitel aus seiner Vergangenheit klammert der Roots-Man Steven Van Zandt in Stuttgart explizit aus und bringt erst zum Finale mit „Out of the darkness“ noch einen Hauch von Springsteenschem Breitwandrock ins Wizemann: dramaturgischer, wenn auch nicht musikalischer Höhepunkt einer opulenten Rock’n’Soul-Revue, in der die eine oder andere Länge nicht weiter ins Gewicht fiel und die nach rund einhundertfünfzig Minuten den obligatorischen Zugabenblock schlicht nicht mehr nötig hatte.