Gitte Hutter von den Linken ist für eine attraktive Innenstadt, in der die Menschen im Mittelpunkt stehen.

Leonberg: Thomas Slotwinski (slo)

Leonberg - Auf der Tribüne des Reiterstadions ist fast immer Platz. Zum Beispiel fürs Finale der Sommergespräche.

 

Frau Hutter, es gibt angenehmere Gesprächsorte als eine baufällige Tribüne mit Blick auf einen heruntergekommenen Platz.

Genau deshalb sitzen wir hier: Das Reiterstadion ist ein Schandfleck, der nur zwei- mal im Jahr genutzt wird. Sonst ist es ein Hundeklo und ein Ort für Trinkgelage.

Was muss geschehen?

Im Grundsatz bin ich dafür, innerstädtische Flächen für Wohnungsbau zu nutzen. Aber da das an diesem Ort im Gemeinderat nicht durchsetzbar ist, werbe ich für eine ganzjährige kulturelle Nutzung: eine Art Amphitheater für Theater, Konzerte und im Winter eine Eisbahn.

Wären das nicht eher Elemente, um den Marktplatz beleben?

Wir müssen die ganze Stadt beleben. Aber es ist richtig: Der Marktplatz muss unbedingt bespielt werden! Dass dort quasi gar nichts stattfindet, ist ein Unding!

Was schlagen Sie vor?

Kultur und Genießen sind Themen, die gut zur Altstadt passen: Jazzkonzerte mit lokalen Musikern. Das könnte man hervorragend mit dem Markt der Genüsse kombinieren und die Gastronomie einbinden. Mit einem guten Angebot locken wir auch Gäste von außen.

Sie plädieren also mehr für ein Erlebnis- als für ein Einkaufsviertel?

Es kommt auf die Klientel an, die man ansprechen möchte. Kultur und Kulinarik sprechen eher ein Qualitätspublikum an.

Besucher brauchen zumeist Parkplätze.

Unsere Tiefgarage ist viel besser als ihr Ruf. Zugegeben: Der Eingang in der Seestraße ist gewöhnungsbedürftig, aber die Zufahrt am Hinteren Zwinger ist sehr gut. Wir brauchen auffälligere Schilder und in Parkdecks selbst Hinweistafeln auf die Arztpraxen, Geschäfte und Lokale. Insgesamt muss das Parkhaus heller sein, und die jetzige Hintergrundmusik erscheint mir etwas traurig. Das Platzangebot ist gut.

In der Altstadt gibt es viele Leerstände.

Die Stadt muss mehr Druck bei den Eigentümern machen, damit die ihre Ladenlokale wieder vermieten. Die ehemalige Metzgerei Blum steht lange leer, genau wie das Kaufhaus NKD. Da könnte man eine kleine Markthalle etablieren, sodass es drinnen wie draußen attraktive Angebote gibt.

„wir müssen uns von den Einfamilienhäusern verabschieden“

Nicht nur Ladenlokale stehen leer, sondern auch Wohnungen.

Auch da müsste die Stadt viel mehr Druck machen, dass diese vermietet werden. Dabei geht es nicht nur um den Wohnungsmarkt, sondern um das Stadtbild. Nehmen Sie die alte Villa an der Ecke Bismarckstraße/Poststraße. Die ist wunderschön, aber vergammelt.

Soll in der Berliner Straße gebaut werden?

Aber ja! Es ist mir absolut unverständlich, dass dort nichts geschieht. Wir brauchen den Wohnraum doch!

Das allein wird nicht genügen.

Wir müssen uns von den Einfamilienhäusern verabschieden und stärker auf Mehrgeschossbauten setzen. Sonst riskieren wir eine Stadtflucht. Eine Verkäuferin, die 1800 Euro netto verdient, kann doch schon jetzt keine Wohnung bezahlen.

Also mehr Sozialwohnungen?

Nein. Aber es muss günstig gebaut werden, und zwar so, dass die Häuser vielleicht später anders genutzt werden können, zum Beispiel als Seniorenheime.

Es entstehen doch schon jetzt neue Quartiere.

Die sehen alle gleich aus und sind teuer. Es gibt Städte, die machen uns vor, wie es geht. In Wien ragen die Häuser hoch hinaus, sind trotzdem schön, und es lebt sich gut drin.

Ungelöst ist auch die Verkehrsproblematik.

Vielleicht lösen wird sie über den Dächern der Stadt. Im Europapark Rust gibt es eine Express-Hochbahn, die von sich aus fährt.

Das klingt nach Kaufmanns Seilbahn-Idee.

Eine Seilbahn wäre stark eingeschränkt.

Ist eine Hochbahn flexibler?

Das muss man überprüfen. Vielleicht finden wir ja eine gemeinsame Lösung mit den Mobilitätsentwicklern von Bosch. Außerdem brauchen wir bessere Nahverkehrsverbindungen. Die Stuttgarter Stadtbahn sollte von Gerlingen weiter nach Leonberg führen. Und wir brauchen eine Bahn in Richtung Ludwigsburg.

All das wird dauern. Was ist jetzt wichtig?

Die Ampeln müssen durch Kreisel ersetzt werden. Das macht den Verkehr flüssiger. Außerdem muss der Nahverkehr günstiger sein. Ideal wäre ein kostenfreies Angebot. Die Menschen parken an der Peripherie und kommen mit Gratis-Pendelbussen ins Zentrum. Ein erster Schritt wäre ein Stadtticket, das für drei Euro den ganzen Tag gilt.

Wie sieht Ihre Stadt der Zukunft aus?

Die ist fußgängerfreundlich mit einer Flaniermeile, die von Eltingen bis zur Altstadt führt, umringt von schönen Flächen, Bäumen und Wasserspielen. Das setzt voraus, dass das Zentrum autofrei ist.

Wie finden Sie den OB?

Man weiß noch nicht, wohin es mit ihm geht. Aber er ist offen für neue Ideen, probiert viel und delegiert mehr. Das finde ich gut.

Welches Resümee ziehen Sie nach Ihren ersten fünf Jahren im Gemeinderat?

Es macht mir sehr viel Spaß, weil ich immer mehr Kenntnisse bekomme und positive Veränderungen mitgestalten möchte. Kurzum: Ich habe Blut geleckt.