In einem Lobbyregister sollen Interessenvertreter erfasst werden, die auf die Gesetzgebung einwirken. Kritiker bemängeln, dass die Transparenz dennoch auf der Strecke bleibt.

Berlin - Politik geschieht nicht im luftleeren Raum. Gesetze und Verordnungen beeinflussen nicht nur das Alltagsleben der Bürger, sondern haben auch mitunter sehr handfeste Auswirkungen auf Geschäftsmodelle von Unternehmen oder ganzen Wirtschaftszweigen. Manche dieser Auswirkungen sind vielleicht gar nicht beabsichtigt. Weder Politiker noch die Spitzenbeamten in den Ministerien übersehen mitunter die Effekte ihrer geplanten Gesetzgebung. Das schafft eine Grauzone: Einerseits braucht die Politik die Beratung durch fachkundige Interessenvertreter der von Gesetzen konkret Betroffenen. Andererseits sieht sie sich auch gezielten Druck und Beeinflussung dieser Interessenvertreter, also den Lobbyisten, ausgesetzt.

 

Die Koalition hat sich nun auf Schritte verständigt, diese Grauzone zumindest etwas besser auszuleuchten. Der Bundestag hat gestern die Einführung eines Lobbyregisters beschlossen. Lange hatte sich die Union gegen ein solches Register gewehrt. Die nun verabschiedete Regelung sieht vor, dass sich Interessenvertreter in einem öffentlichen, beim Bundestagspräsidenten geführten Verzeichnis registrieren müssen.

Was wird registriert?

Die Pflicht zur Registrierung besteht dann, wenn die Lobby-Tätigkeit „regelmäßig betrieben wird“, „auf Dauer angelegt ist“, „geschäftsmäßig für Dritte betrieben wird“ oder „innerhalb der jeweils letzten drei Monate mehr als 50 unterschiedliche Interessenvertretungs-Kontakte aufgenommen wurden“, heißt es in dem Gesetz. Anzugeben sind neben persönlichen Daten die Firma, für die der Vertreter tätig ist, Zuwendungen durch die öffentliche Hand oder auch Zuschüsse oder Schenkungen Dritter mit Angabe des Namens oder der Firma der Geber, sowie die jährlichen Aufwendungen für die Lobbyarbeit.

Damit soll sicher gestellt werden, dass bekannt ist, wer im Berliner Politikbetrieb als Beeinflusser unterwegs ist. Wobei nicht nur die Interessenvertretung gegenüber den Abgeordneten des Bundestags gemeint ist, sondern ausdrücklich auch die Bundesregierung bis zur Ebene der Unterabteilungsleiter in den Ministerien.

Im Vergleich zum bisherigen undurchsichtigen Lobbywesen ist das ein Fortschritt. Allerdings gibt es auch Grenzen der Transparenz. So enthält das neue Gesetz eine ganze Reihe von Ausnahmen von der Registrierungspflicht. Nicht eintragen muss sich, wer sich im Rahmen der Ausübung eines öffentlichen Amtes oder Mandats an die Bundesregierung oder Abgeordnete wendet. Auch Vertreter von Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverbänden, von Kirchen oder Religionsverbänden, kommunaler Spitzenverbände oder Personen „soweit sie Rechtsberatung für einen Dritten oder sich selbst“ betreiben, also Anwälte, müssen sich nicht registrieren.

Einen „exekutiven Fußabdruck“ gibt es nicht

Wer sich als Lobbyist nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig ins Register einträgt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Sie kann mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro belegt werden. Zugleich akzeptieren die Lobbyisten durch ihren Eintrag ins Register einen Verhaltenskodex, der noch von Bundesregierung und Bundestag „unter Beteiligung der Zivilgesellschaft“ vorgelegt werden soll.

Nicht ins Gesetz hat es der sogenannte „exekutive Fußabdruck“ geschafft. Der würde deutlich machen, welche Lobbyisten bei der Erarbeitung eines konkreten Gesetzes mit welcher Stellungnahme tatsächlich Einfluss genommen haben.

Die SPD bedauert das. Dieser Fußabdruck wäre ein wichtiger Beitrag zur Schaffung von Transparenz im Bereich der Gesetzgebung gewesen, findet Matthias Bartke, der SPD-Verhandlungsführer in Sachen Transparenzgesetze. „Die Union hat ihn verhindert“, sagt er. Selbst nach den jüngsten Skandalen gelte für die Union wohl noch der Grundsatz: „Zu viel Transparenz ist unerwünscht“, sagte Bartke. Auch die Nicht-Regierungsorganisation (NGO) „Transparency International“ zeigt sich unzufrieden.

Ihr Deutschland-Chef Hartmut Bäumer glaubt, dass Außenstehende „auch in Zukunft keine Transparenz über die Lobbyarbeit bekommen werden oder höchstens eine sehr dünne“. Er kritisiert vor allem, dass auch durch die Registrierung noch nicht klar werde, welcher Lobbyist bei der Erarbeitung von Gesetzen seinen Einfluss geltend gemacht habe.

Vorstoß gegen Bestechung von Abgeordneten

Das Lobbyregister ist nicht die einzige Baustelle in Sachen Transparenz. Union und SPD wollen auch gemeinsam das Abgeordnetengesetz ändern. Hier gestalten sich die Verhandlungen nach Recherchen unserer Zeitung allerdings schwierig. In einem Punkt aber sind sich beide Seiten inzwischen einig: Die Abgeordneten-Bestechung soll juristisch zu einem „Verbrechen“ hochgestuft werden und damit mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden.

Sonst aber wird noch über vieles gerungen. Beide Seiten haben Eckpunkte vorgelegt. So will die SPD die Offenlegung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten – und zwar auf den Euro genau. Auch der zeitliche Umfang von Nebentätigkeiten soll genau angegeben werden. Die Spitze der Unionsfraktion will Bundestagsabgeordneten verbieten, „entgeltliche Tätigkeit als Interessenvertreter für einen Dritten gegenüber der Bundesregierung oder im Bundestag“ durchzuführen. Sie will aber die genaue Offenlegung der Nebeneinkünfte erst ab einer Summe von 100 000 Euro. Niemand rechnet in Berlin mit einer raschen Einigung.