Unter dem Saalplatz im Stadtteil Korntal von Korntal-Münchingen ist es ziemlich löchrig. Schuld ist das Gipskeupergestein im Boden. Das hat massive Folgen für die Gebäude.

Das Denkmalamt hat den Abriss des Alten Rathauses auf dem Saalplatz in Korntal genehmigt. Das so einsturzgefährdete wie historische Gebäude – entstanden anno 1834 als Pfarrhaus, Sitz der Gemeindeverwaltung bis zum Jahr 1961 und zuletzt Sitz der Diakonie und der Verwaltung der Brüdergemeinde – ist eingezäunt. Es ist eine Vorgabe der Stadt, vorsichtshalber, damit nichts passiert, falls zum Beispiel ein Ziegel vom Dach fällt. Schließlich, sagt der weltliche Vorsteher der Brüdergemeinde, Dieter Weißer, ist der Saalplatz gut frequentiert und ein Kindergarten in der Nähe.

 

Auch der Umzug der Mitarbeitenden auf das Gelände des Hoffmannhauses und ins Gemeindezentrum im Sommer vor zwei Jahren – der Israelladen im Erdgeschoss wanderte ebenfalls nur ein paar Meter weiter in die Mirander Straße –, sei eine Vorsichtsmaßnahme gewesen. Wann das Alte Rathaus der Abrissbirne zum Opfer fällt, ist noch unklar, ebenso, was danach auf dem Grundstück geschieht.

Schwerpunkt des Problems ist woanders

Dagegen ist der Grund für die Misere klar. Die Ursache des einsackenden Bodens liegt im Untergrund des Stadtteils: Korntal steht auf Gipskeupergestein. Dringt in diesen Boden Wasser, wäscht es den Gips aus – meterlange und metertiefe Hohlräume entstehen, die einbrechen können. Das so genannte Dolinen-Phänomen tritt in Korntal entlang zweier Achsen auf. In Nord-Süd-Richtung hangabwärts betrifft es den Bereich um die Goerdeler Straße. Das Zentrum der unterirdischen Hohlräume ist der Saalplatz. In West-Ost-Richtung verläuft die Achse von der Südstraße südlich der Bahnlinie bis nach Zuffenhausen. Der Schwerpunkt des Problems ist der Sportplatz an der Jahnstraße.

Dass das Alte Rathaus nach unten absackt und dies weiterhin tun wird, mittlerweile schief steht und nach hinten abfällt, zeigen die Messungen von Geologen und Statikern schon lange. Das Denkmalamt habe in den vergangenen Jahren vermehrt Auflagen angeordnet, berichtet Dieter Weißer, etwa dass die Messungen engmaschiger erfolgen, zu jeder Jahreszeit. „Die Rettung des Gebäudes ist höchstkompliziert und teuer“, sagt Dieter Weißer. Man müsse es wie auf einen Gitterrost stellen und sehr viele Stahlträger verwenden. Da das Grundstück laut Weißer klein ist, müsste man vom Parkplatz des Wohn- und Geschäftshauses Koroneo aus mit den Arbeiten starten. Die Unwirtschaftlichkeit des Unterfangens gab letztlich den Ausschlag dafür, dass das Denkmalamt den Abriss des geschützten Baus abnickte.

Weißer: Neubau muss auch optisch passen

Ein Neubau jedenfalls bekommt viel Beton und Pfähle im Untergrund, wie das vor elf Jahren errichtete Gemeindezentrum oder das Koroneo. „Wir haben noch keine großen Pläne gemacht, weil es ein langer Prozess war, bis wir die Erlaubnis für den Abbruch erhalten haben“, sagt Dieter Weißer. Geplant sei, auch mit dem neuen Bürgermeister zu klären, was Korntal braucht. „Die Belebung der Stadtmitte ist ein großes Thema“, so Weißer, der betont, ein Neubau müsse auch optisch zum Ensemble am Saalplatz, ins Bild passen.

Der weltliche Vorsteher der Brüdergemeinde ist froh, wenn bis zum Abriss noch etwas Zeit vergeht. Weil im Alten Rathaus noch Akten liegen, die ausgeräumt und archiviert werden müssen – und weil eine Baulücke nicht schön wäre. Das Alte Rathaus ist in der Vergangenheit immer wieder renoviert worden. Das Treppenhaus wurde erneuert, das Dachgeschoss für zusätzliche Büros ausgebaut, bestehende Büros wurden modernisiert, der Israelladen wurde in Schuss gehalten.

Risse und schräge Böden im Rathaus

Beim anno 1961 auch auf instabilem Boden errichteten Rathaus ist es derzeit ruhig. Im Herbst stehen wieder Messungen an, teilt die Rathaussprecherin Angela Hammer mit, „aber bislang lässt sich nichts Auffälliges an den Rissmarken erkennen“. Aktuell gebe es keine sicherheitsrelevanten Setzungen. Über die Gesamthöhe von 17 Metern sei die Süd-West-Ecke circa 27,8 Zentimeter gekippt und habe sich in der letzten Zeit nicht verändert. Das Rathaus habe Risse in den Wänden und Decken. Die Böden in manchen Büros würden zum Teil etwas schräg verlaufen und seien mit Hilfe von Podesten begradigt worden. Die durch die Setzungen entstandenen Schäden haben laut Hammer noch keine kritische Phase für das gesamte Gebäude erreicht. „Veränderungen beziehungsweise Bewegungen im Untergrund können aber jederzeit den Bauzustand verschlechtern.“ Deswegen behalte man das Rathaus im Blick.

Um das Rathaus als Ganzes zu sichern, hat die Stadt im Jahr 1992 nachträglich Pfähle unter den Boden einsetzen lassen. Aus Platzgründen sind sie allerdings zu schmal, und so bleibt das Problem des Absackens. Beim Bau des Rathauses verzichtete die Stadtverwaltung aus Kostengründen auf ausreichend große Stützpfähle – dabei musste das Vorgängergebäude wegen Verformungen abgerissen werden.