Vor 40 Jahren hat Lothar Matthäus in der Nationalmannschaft sein Debüt gegeben. Bei der Premiere am 14. Juni 1980 bei der EM gegen die Niederlande verursachte er einen Foulelfmeter. Der Karriere des Rekordnationalspielers und Ex-Kapitäns tat das keinen Abbruch.

Budapest/Frankfurt/Main - Die glänzende Karriere von Lothar Matthäus in der Nationalmannschaft fing denkbar schlecht an und endete sehr enttäuschend. Das Debüt am 14. Juni 1980 bei der Fußball-EM in Italien missglückte: Der damals 19-Jährige verursachte fünf Minuten nach der Einwechslung im Spiel gegen die Niederlande (3:2) beim Stand von 3:0 einen Foulelfmeter. „Das hatte beim Bundestrainer Jupp Derwall einen bitteren Nachgeschmack“, erinnert sich Matthäus 40 Jahre nach dieser Premiere im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

 

Über ein Jahr wurde er von Derwall gemieden und erst im November 1981 von ihm wieder nominiert. „Ich wüsste nicht, was ich mir habe zuschulden kommen lassen“, hadert der inzwischen 59 Jahre alte ehemalige Mittelfeldspieler immer noch mit dem Bann. „Ich habe damals alles richtig gemacht. Nämlich einen Spieler, der allein auf das Tor zuläuft, vor dem Strafraum zu Fall gebracht.“ Bestätigt wird das von Bernard Dietz, für den Matthäus eingewechselt wurde. Auch in der Nachbetrachtung war für ihn das Foul „deutlich vor der Strafraumgrenze“ gewesen, wie er einmal in einem Interview sagte.

Abgesehen von dem verpatzten Einstand war die erste Berufung für Matthäus schon ein „Traum“ gewesen. „Für mich kam das völlig überraschend. Acht Monate zuvor hatte ich noch beim 1. FC Herzogenaurach in der 4. Liga gespielt“, sagte er. „Das war natürlich eine Riesengeschichte für mich. Das muss man als junger Spieler erst einmal verarbeiten.“

Immerhin holte Deutschland den Titel - und er wurde mit nur 17 Spielminuten Europameister. „Ich erkenne den Titel für mich an. Er steht auf dem Papier, auch wenn man sich mehr als Europameister fühlte, wenn man mehr Einsatzzeiten gehabt hätte“, schlussfolgerte er und fügte hinzu: „Andererseits fühle ich mich mehr als Weltmeister von 1990 als Europameister von 1980.“

Dass Matthäus etwas zu heißspornig in seinem ersten Länderspiel war, ist für Toni Schumacher verständlich. „Er hat gebrannt und wollte in den 17 Minuten alle Mauern einreißen, die man einreißen konnte“, sagte der damalige Nationalkeeper und Wegbegleiter, mit dem ihn viel verband: „Lothar hat eine ähnliche Mentalität wie ich. Er wollte immer gewinnen, und er ist vorneweg marschiert. Das hat mir gefallen.“

Imponiert hat Jungspund Matthäus auch Felix Magath. „Er war 19 Jahre alt. In diesem Alter schon bei einer Mannschaft dabei zu sein, die Titelfavorit bei der EM war, ist außergewöhnlich gewesen“, befand sein Mittelfeldrivale in den 80er Jahren, der ebenfalls in dem EM-Spiel gegen die Niederlande eingewechselt worden war.

Obwohl die beiden nicht immer „ein Herz und eine Seele“ (Magath) gewesen seien, zollt er seinem einstigen Konkurrenten Anerkennung. „Es gab kaum einen Gegenspieler, der so eine Dynamik hatte wie Lothar Matthäus. Das war damals für einen Mittelfeldspieler selten“, erklärte Magath. Nicht nur deshalb gehöre er für ihn in „den Reigen“ der größten Spieler: „Er hat nicht nur mitgespielt, sondern war eine Führungspersönlichkeit.“ In dieser Rolle habe er sein Meisterstück beim WM-Gewinn 1990 in Italien unter der Ägide von Franz Beckenbauer abgeliefert: „Dieser Titel ist stark mit ihm verbunden.“

„Mit Franz hatte ich die erfolgreichste Zeit und den persönlichsten Kontakt“

Für Matthäus waren die Jahre mit Beckenbauer als DFB-Teamchef inklusive des WM-Triumphes seine schönsten. „Mit Franz hatte ich die erfolgreichste Zeit und den persönlichsten Kontakt“, sagte der „Weltfußballer des Jahres“ von 1990 und 1991. „Das war schon das Größte.“ Er führte die Mannschaft als Kapitän an, spielte nach Engagements bei Borussia Mönchengladbach und Bayern München gerade bei Inter Mailand (1988 bis 1992). „Wir reden von einem Sommermärchen 2006. 1990 war für mich in meiner Wahlheimat Italien mit dem Happy End ein richtiges Sommermärchen“, schwärmt Matthäus.

Diesem Höhenflug folgten mit Beckenbauer-Nachfolger Berti Vogts die Tiefen seiner Karriere. Bei der WM 1994 in den USA kam Deutschland nicht über das Viertelfinale hinaus. Im Februar 1995 zog er sich im Alter von 34 Jahren einen Achillessehnenriss zu, fand zu alter Stärke zurück, wurde aber von Vogts für die EM 1996 nicht berücksichtigt. „Er hat mir Vertrauensbruch vorgeworfen, aber ich weiß bis heute nicht, aus welchem Grund“, so Matthäus. Kurz vor der WM 1998 holte Vogts ihn zurück. Deutschland schied wieder im Viertelfinale aus.

Der neue Bundestrainer Erich Ribbeck überredete Matthäus, bei der EM 2000 in den Niederlanden und Belgien wieder dabei zu sein, obwohl er im März des Jahres in die USA gewechselt war. Außerdem zog sich der Franke kurz vor der EM eine Muskelverletzung zu. „Ich war nicht im Vollbesitz meiner Kräfte“, sagt Matthäus. Deutschland schied nach der Gruppenphase aus. Das 0:3 gegen Portugal am 20. Juni 2000 war sein 150. Länderspiel - und kein krönendes Ende.

„Man erinnert sich gern an die 20 Jahre Nationalmannschaft mit allen Höhen und allen Tiefen, und auch an das erste und das letzte Spiel - beide sind nicht unbedingt gut gelaufen“, bilanziert Matthäus.

Mit seinen damaligen Fähigkeiten wie der Schnelligkeit („Heute das A und O“) würde er sich zutrauen, auch im aktuellen DFB-Team spielen zu können: „Ich denke schon, dass ich mit meinen Voraussetzungen heute noch eine gute Rolle spielen könnte.“ Nicht mehr vorstellen kann er sich, noch mal als Trainer zu arbeiten. „Das ist vorbei. Ich bin rundum zufrieden. Das habe ich abgehakt“, sagt Matthäus.

Als TV-Experte für Sky kritisiert er die Zunft lieber und erzürnte zuletzt Lucien Favre („Unglaublich und für mich nicht akzeptabel“). Aussagen des Chefcoaches von Borussia Dortmund nach dem Bayern-Spiel (0:1) interpretierte er als angekündigten Abschied vom BVB. „Ich habe meine Meinung, stelle meine Frage und gebe meine Antworten“, erklärt Matthäus. „Das hat null mit Provokation zu tun.“