Die Macher der Stuttgarter Partyreihe „Lovepop“ haben all ihre Events abgesagt und sind erstaunt über die Unvernunft einiger Kollegen. Ein Fest mit Corona-Bier wurde auf vielfachem Protest verboten. Im Cavos knallt die Klopapierkanone noch.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - „So sieht Solidarität nicht aus“, klagt der für die Reihe „Lovepop“ verantwortliche Partyorganisator Dirk Wein, der seit den 1990ern im Stuttgarter Nachtleben aktiv ist. Seine eigenen Veranstaltungen hat er abgesagt und muss nun mitansehen, wie die wichtige Botschaft von Virologen, zur Eindämmung der Corona-Gefahren auf soziale Kontakte so gut es geht zu verzichten, immer noch nicht überall angekommen ist. „Viele Gastronomen und Veranstalter stehen wohl vor der größten Krise ihres Geschäftslebens, haben Existenzängste und wissen nicht mehr weiter“, erklärt er, „trotzdem handeln die meisten verantwortungsvoll.“

 

Umso mehr ärgert sich Wein, dass nicht alle solidarisch sind. Dass der Club One in Esslingen, der von Stuttgartern betrieben wird, für Samstagabend „Partyfreunde ab nach Esslingen“ eingeladen hatte und jedem „ein Gratis-Bier Corona“ versprach, hat viele Veranstalter wütend gemacht. Die Proteste von Dirk Wein und anderen auf der Facebook-Seite seien von den One-Machern „nonstop“ gelöscht worden. Mehrere Kommentatoren, deren Beiträge entfernt wurden, haben daraufhin die Stadt Esslingen angeschrieben. Im dortigen Rathaus handelte man schnell: Die Party mit dem Corona-Bier wurde vor Beginn verboten.

„Beim Essen bleibt man normalerweise auf den Stühlen“

„Klar verläuft bei den Jungen und Gesunden, die feiern wollen, Covid-19 in der Regel mild“, sagt Dirk Wein, „doch ich finde es egoistisch, wenn junge Leute jetzt weiter Party machen wollen.“ Jeder komme irgendwann in Kontakt mit Älteren und Vorerkrankten, ob im Supermarkt, in der Bahn oder am Hauseingang. Und gerade diesen Menschen gegenüber müsse man solidarisch sein.

Unverständlich sind für den „Lovepop“-Organisator auch Fotos vom Samstagabend, auf denen zu sehen ist, wie im Restaurant Cavos Klopapierrollen verschleudert werden. „Beim Essen bleibt man normalerweise auf die Stühlen sitzen“, sagt er, „genau aus diesem Grund und wegen der Versorgung mit Nahrungsmitteln dürfen Restaurants überhaupt noch offen haben, sicher nicht für eine Party.“ Aber auch das Cavos merkt, dass die meisten daheim bleiben. Von 320 Plätzen waren an diesem Abend nur etwa 50 besetzt.

In der City ist abends überwiegend tote Hose

Wie irre ist das denn, wenn zwei erwachsene Männer Klopapier verschleudern, das in Supermärkten seit Tagen auf leeren Regalen nicht zu finden ist? Zwar haben in Stuttgart alle Clubs und Bars geschlossen, wie von der Stadt am vergangenen Freitag verfügt, aber offensichtlich haben noch nicht alle verstanden, um was es geht. Seit Freitag herrscht in der City nächstens tote Hose, als würden endlich doch die Gehwege hochgeklappt, worüber lange vor Covid-19 Menschen von auswärts gespottet haben.

Die Stadt versinkt im Dornröschenschlaf, in tiefer Melancholie. Zwei Stuttgarter Kumpels leiden sehr darunter. Normalerweise werden Florian Gauder und Sven Cermak, die sich Partyspielagenten nennen, an den Wochenenden gebucht, also in ihrer Freizeit nach der Ausübung „normaler Berufe“, um die Stimmung bei Festen aller Art anzuheizen. Die beiden haben Spielchen im Sortiment, sind selbst völlig crazy, als wäre das ganze Leben ein ewiger Kindergeburtstag.

„Man sollte das Feiern nicht vergessen, jetzt halt privat“

„Jetzt haben wir für einige Wochen frei“, sagt Gauder, der abseits seiner Partydienste Chef eines Bauunternehmens ist. Für die Gesundheit der Menschen sei der Spaß sehr wichtig, findet er. Die von der Stadt verfügten Einschränkungen will er akzeptieren, etwa dass sein Stammlokal Cavos jetzt um 23 Uhr zumacht. „Aber man sollte vor lauter Trübsalblasen das Feiern nicht vergessen“, sagt der Spielagent, „dann halt auf Privatparties.“

Einen privaten Geburtstag haben Gauder und seine Freunde im Restaurant Cavos gefeiert, das aber keine geschlossene Gesellschaft bediente. Und nach dem Essen ist es passiert: Mit seinem Kumpel Sven Cermak hat er seine Klopapierkanone ausgepackt. Beim Partygriechen war es bisher üblich, dass spät in der Nacht die weißen Servietten fliegen. Mit Klopapier geht das noch viel wilder. Das Foto war kein gutes Signal in Zeiten von Corona.

Das Klopapier ist noch nicht überall aus

„Wir haben noch genügend Munition“, sagt Florian Gauder. Das Klopapier sei bei ihm keineswegs aus, er habe es nicht wegen Corona gehortet. In den sozialen Medien hat er das Bild aus dem Cavos gepostet. „Roll’ das Papier wieder auf“, fordert einer, „und dann verkauf’ es auf dem Schwarzmarkt.“

Doch nicht überall kommen diese Klopapierspielchen an. „Wie kann man nur so tun, als wäre alles weiterhin easy?“, fragt einer, „bleibt besser daheim, gebt dem Virus keine Chance!“