Viele Eltern verstehen nicht, was ihre Kinder am Computer spielen. Ein Fachtag will helfen. Dort bekommen die Erwachsenen Einblicke in die Spielewelt ihrer Kinder.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Der Weg ins Kinderzimmer scheint für manche Eltern ein sehr schwieriger zu sein. Warum sonst sind Informationsveranstaltungen wie „Spielplatz Computer“ vonnöten? Wäre es nicht viel unkomplizierter, einfach ins Jugendzimmer zu gehen und sich mit dem Sohn – selten ist es die Tochter – mal an den Computer zu setzen und einfach zu fragen: Was spielst du da und wie geht das?

 

Offenbar ist die Hemmschwelle dafür sehr hoch. Und so daddelt der Nachwuchs vor sich hin – und Eltern befürchten das Schlimmste. Die Welt der Computerspiele ist in vielen Familien eine Kampfzone, in der Eltern und Kinder regelmäßig aneinandergeraten. Meist geht es dabei um die Zeit, die Kinder vor dem Computer verbringen, und die Angst, dass sich die Spieler in von Gewalt dominierten Welten verlieren.

Die Oma will verstehen lernen, was die Enkel am PC spielen

Im Kulturzentrum boten Katholische Erwachsenenbildung, die Aktion Jugendschutz und das Landesmedienzentrum deshalb eine Spielzone für Erwachsene ohne Vorbildung. Hier soll heute der Raum für die Fragen und Ängste der Erwachsenen sein. „Wir sind schon Großeltern“, sagt Brigitte Feuerstein, die zusammen mit ihrem Mann gekommen ist. Sie will verstehen, was die Enkel spielen und ein bisschen lernen, was sich hinter den fremden Begriffen der Spielewelt versteckt.

Um zu verstehen, begibt sie sich in die Welt eines Familienspiels. Mit einer Steuerung in der Hand radelt sie – besser ihr Spieleavatar – mittels einer Spielkonsole durch eine Strandlandschaft. Sie muss dabei aufpassen, dass sie die Fliehkraft nicht aus der Kurve trägt. Es scheint ihr Spaß zu machen. „Wir sind, als unser Sohn 14 Jahre alt war, von dem Spielethema völlig überrollt worden“, sagt eine andere Mutter, deren Sohn nun 19 Jahre alt ist. Eifrig notiert sie Adressen und Organisationen, die ihr weiter Auskunft geben können.

Gefährlich wird es, wenn das Spielen zu einer Flucht wird

Spielen, so sagt Christian Kindler, Leiter der katholischen Erwachsenenbildung, „ist der Raum für experimentelle Selbsterfahrung“. Er zitiert den Neurobiologen Gerald Hüther, der das Spielen als Ort bezeichnet, an dem die Neugierde geübt werde. Im Spiel erlebten Jugendliche, dass ihr Tun unmittelbare Wirkung zeige. Es gehe um Wettbewerb und um das Messen der eigenen Kräfte mit anderen. Alles Dinge, die Jungs auch auf dem Fußballplatz übten. Dass Eltern ihr Tun am Computer nicht verstehen, mache das Spielen besonders attraktiv, gehe es doch gerade in der Pubertät um die Abgrenzung von den Eltern.

Werde das Spielen jedoch zur Flucht, „dann stimmen andere soziale Rahmenbedingungen nicht“, sagt Kindler. Das für Eltern manchmal beunruhigende stundenlange Abtauchen in ein Spiel, vergleicht er mit dem Versinken in ein spannendes Buch. Es geht im Miteinander von Eltern und Kindern in dieser Kampfzone ganz offenbar darum, dass Eltern die aktuellen Entwicklungen nicht immer nur mit den ihrer eigenen Jugend abgleichen. „Das Spielen sieht heute anders aus“, sagt Kindler vermittelnd. Die meisten Jugendlichen wollen laut der neuesten Jugendmedienstudie aber immer noch am liebsten in ihrer Freizeit etwas mit ihren Freunden unternehmen, beruhigt er.

Das bestätigt auch der Medienpädagoge Tim Clemenz. Aus seiner Arbeit mit Jugendlichen weiß er, dass viele mit anderen spielen. Gemeinschaft nehme hier nur andere Formen an. Jugendliche, die tagsüber miteinander in die Schule gingen, verabredeten sich abends zum Online-Spiel. Jeder sitze dann zu Hause vor seinem Computer, aber alle spielten gemeinsam ein Spiel.

Um das zu illustrieren, sind an den Laptops Spiele installiert. In einem separaten Bereich sind die Spiele aufgebaut, die erst 18-Jährige spielen dürfen. Auf dem Spielemarkt machen sie 6,3 Prozent des Angebots aus. Die Freigabe eines Spiels ab null, sechs oder 16 Jahren sei jedoch nicht als pädagogische Empfehlung zu verstehen, betonen die Experten einstimmig. Niemand nimmt Eltern die Entscheidung ab, sich zu darum zu kümmern, ob ein Spiel dem Entwicklungsstand ihres Kindes entspricht.