Die Wüstenrot & Württembergische-Gruppe investiert in Kornwestheim 130 Millionen Euro. Stehen damit die Standorte in Ludwigsburg und Stuttgart vor dem Aus? Manche Insider vermuten, dass die Würfel längst gefallen sind.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Vor wenigen Wochen hatte sich Werner Spec noch demonstrativ gelassen gezeigt. Es gebe keinen Anlass zu der Einschätzung, dass Wüstenrot die Stadt verlassen werde, sagte der Ludwigsburger Oberbürgermeister, obwohl sich schon damals deutlich abzeichnete, dass die Wüstenrot & Württembergische-Gruppe viele Millionen Euro in den Standort Kornwestheim investieren wird. Die entsprechenden Pläne fußen auf dem Siegerentwurf eines Architekturwettbewerbs, den das Unternehmen ausgelobt hatte. Doch Spec wiegelte ab. Es handle sich, sagte er, ja nur um „eine Potenzialdarstellung“.

 

Fest steht: für Ludwigsburg wäre der Weggang von W&W ein enormer Verlust, weil der Stadt ein wichtiger Gewerbesteuerzahler mit vielen Arbeitsplätzen wegbrechen würde. Seit 1930 hat die Bausparkasse ihren Hauptsitz in der Barockstadt, es handelt sich um eines der bekanntesten und größten Unternehmen in der Region, das Verwaltungshochhaus an der Stadtgrenze ist weithin sichtbar.

Das Unternehmen investiert 130 Millionen Euro in Bürohäuser

Und inzwischen ist man auch im Rathaus skeptisch geworden, dass es gelingt, W&W zu halten. Denn der Siegerentwurf, den Spec noch als Potenzialdarstellung abtat, wird Realität. Ende Mai hat der W&W-Aufsichtsrat beschlossen, dass bis 2018 ein erster Teil der Planungen umgesetzt werden soll: voraussichtlich im vierten Quartal 2015 wird mit dem Bau von zwei neuen Bürohäusern im Süden des Kornwestheimer W&W-Areals begonnen, die Raum für 1200 Arbeitsplätze und ein Rechenzentrum bieten sollen. Das Unternehmen investiert 130 Millionen Euro in das Vorhaben.

Das muss noch nicht alles sein. Im Entwurf des Architekten sind noch fünf weitere Bürogebäude in Kornwestheim vorgesehen, darunter ein markantes zwölfgeschossiges Turmhaus. Dieser Endausbau sei „optional“, teilt W&W mit. Vermutlich wird erst 2017 oder 2018 entschieden, ob das gesamte Ensemble realisiert wird.

Ein eindeutiges Bekenntnis zu Kornwestheim sind die Pläne allerdings schon jetzt. Und Ludwigsburg? Wird nur am Rande erwähnt. Auf Nachfrage teilt der Unternehmenssprecher Immo Dehnert mit: „Selbst wenn die W&W-Gruppe das Gesamtprojekt auf dem Kornwestheimer Areal bis 2024 realisieren würde, heißt das nicht automatisch, dass der Standort Ludwigsburg aufgegeben wird.“

Auch der W&W-Standort in Stuttgart steht zur Diskussion

Der Mutterkonzern der Wüstenrot-Bausparkasse, die W&W-Aktiengesellschaft, sitzt in Stuttgart, wo knapp 2500 Menschen für das Finanzdienstleistungsunternehmen arbeiten. Allerdings wurden bereits mehrere hundert Mitarbeiter nach Kornwestheim verlagert, weshalb auch in der Landeshauptstadt befürchtet wird, dass W&W den Standort aufgeben könnte. Der Konzern selbst sagt, dass es keine dahingehende Entscheidung gebe. „Das Areal im Stuttgarter Westen befindet sich nach wie vor in Besitz des Unternehmens.“

In Ludwigsburg und Kornwestheim sind 3500 Menschen bei Wüstenrot & Württembergische beschäftigt, der dritte große Standort ist Karlsruhe mit 750 Angestellten. Vor allem die Ludwigsburger Immobilien sind in die Jahre gekommen, manche gar 90 Jahre alt, das Hochaus stammt aus den 1970er Jahren. Vor diesem Hintergrund vermuten manche Insider, dass die Würfel längst gefallen seien.

Kürzlich erzählte ein Wüstenrot-Abteilungsleiter öffentlich, dass die Immobilien auf Ludwigsburger Grund nicht mehr benötigt würden – und provozierte damit reichlich Wirbel, auch innerhalb der Belegschaft. Ob der Mann viel zu weit vorgeprescht ist oder nur eine Wahrheit ausgesprochen hat, die bei W&W sonst noch niemand aussprechen möchte, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen.

Ludwigsburg hat um W&W gekämpft – vermutlich erfolglos

Michael Ilk jedenfalls, der Ludwigsburger Baubürgermeister, klingt heute wesentlich pessimistischer als Werner Spec noch vor Wochen. „Wir kennen diese Aussagen und müssen davon ausgehen, dass sich W&W für den Standort Kornwestheim entschieden hat“, sagt er. „Für uns ist das sehr bedauerlich, denn diese Firma liegt uns am Herzen, und wir würden sie außerordentlich gern hier behalten.“ Aus diesem Grund habe sich die Verwaltung in vielen Gesprächen bemüht, dem Unternehmen ein „adäquates Angebot“ zu machen. Letztlich seien aber in Ludwigsburg wohl nicht ausreichend Flächen für die Erweiterungspläne vorhanden.

Ob überhaupt noch Chancen für den Standort bestehen, mag Ilk nicht beurteilen. Er benötige mehr Informationen, weitere Gespräche seien geplant.

Sicher ist, dass W&W die Immobilien in Ludwigsburg mindestens bis 2024 nutzen wird, denn frühestens dann wären alle zusätzlichen Bürohäuser in Kornwestheim fertig. In den Entwürfen hat der Architekt das neue Turmhaus in unmittelbarer Nähe des alten W&W-Hochhauses platziert, aber eben auf Kornwestheimer Gemarkung. „Der schlimmste Fall für uns wäre, wenn die alten Gebäude irgendwann vor sich hingammeln“, sagt Ilk. Auch wenn diese Flächen allein W&W gehören, sei es für Ludwigsburg aus städtebaulicher Sicht von enormer Bedeutung, dass sie einer sinnvollen Nachnutzung zugeführt werden.

Immerhin in diesem Punkt ist der Bürgermeister optimistisch. „Die Grundstücke dort sind derart attraktiv und verkehrsgünstig gelegen, dass ich überzeugt bin, dass sie sich vermarkten lassen.“