Die Pünktlichkeit der Rettungsdienste im Kreis Ludwigsburg ist schlechter geworden. Der Landrat will jetzt "allergrößten Nachdruck" in die Verhandlungen bringen.  

Ludwigsburg - Die Hartnäckigkeit hat sich gelohnt. Nur häppchenweise und nur nach massivem parlamentarischem Druck hat das baden-württembergische Sozialministerium eine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Stehmer zur Einhaltung der gesetzlichen Rettungsfristen beantwortet. Der Landtagspräsident Peter Straub (CDU) und der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas wurden eingeschaltet. Das Ergebnis ist nach den Angaben des Vizelandrats Utz Remlinger einmalig. "Das ist das erste Mal in der Geschichte des Landes, dass so eine ortsbezogene Statistik veröffentlicht wurde."

 

Die Statistik für das Jahr 2009 offenbart eklatante Mängel bei der Notfallversorgung in mehreren Kommunen. Vor allem in den Gemeinden Eberdingen und Hemmingen kommt längst nicht einmal jeder zweite Notarzt innerhalb der gesetzlichen Frist von maximal 15 Minuten zum Einsatzort. Inzwischen liegen, wohl auch auf Druck Stehmers, die neueren Zahlen für 2010 vor. Und die sehen noch schlechter aus.

Laut dem Vizelandrat, der kraft Amtes die Rechtsaufsicht für die Notfallrettung leitet, hat die Pünktlichkeit erneut nachgelassen. Die kreisweite Quote lag im Jahr zuvor bei 93,3 Prozent, im vergangenen Jahr sei sie auf 88,6 Prozent abgerutscht. Selbst die als eher unproblematisch und pünktlich angesehenen Einsätze der Rettungstransportwagen rutschten von akzeptablen 95,2 Prozent auf problematische 93,9 Prozent ab. "Das Ergebnis ist alarmierend", sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Stehmer. In 29 von den 39 Kreiskommunen werde die gesetzlich vorgeschriebene Pünktlichkeitsquote der Notärzte von 95 Prozent nicht eingehalten. Ärgerlich findet Stehmer auch, dass das Sozialministerium ihm nicht die Statistiken der Einsätze mit Hilfsfristen von zehn oder zwanzig Minuten vorlegen wolle. Angeblich würden diese Zahlen nicht erhoben. "Das ist nachweislich falsch", sagt Stehmer.

Unmut und Besorgnis

Auch im Ausschuss für Umwelt und Technik des Kreistags herrscht Besorgnis. "Wir können uns nicht erlauben, dass es bei uns Rettungswüsten gibt", sagte dort der Oberstenfelder Bürgermeister und CDU-Kreisrat Reinhard Rosner. Die SPD-Rätin Erika Pudleiner erhob gar den Vorwurf, die Kreisverwaltung habe "ein Dreivierteljahr lang gepennt".

Erst im November seien im Bereichsausschuss zusammen mit den Rettungsdiensten und den Krankenkassen konkrete Verbesserungen beschlossen worden. Die Mängel seien aber längst bekannt gewesen. Unmut äußerte auch Peter-Michael Valet (Grüne): "Warum muss der Kreis erst auf einen Landtagsabgeordneten warten, bevor das Ministerium Zahlen bekanntgibt?"

Der Landrat kündigte umgehend an, Tempo und "allergrößten Nachdruck" in die Verhandlungen zu bringen. Maßnahme Nummer eins sei die Einrichtung eines Notarztdienstes im Umfeld der besonders beeinträchtigten Gemeinden, denkbar seien Hemmingen oder Schwieberdingen. Er widersprach der vom Ministerium und seinem Vizelandrat früher geäußerten Ansicht, wonach es ausreiche, wenn die Notärzte und Rettungsdienste im Kreis durchschnittlich zu 95 Prozent pünktlich am Einsatzort seien. "Es kann nicht angehen, dass eine Statistik nur unterm Strich stimmt."

Jetzt müsse schnell Besserung her. Notfalls mit juristischer Gewalt. Wenn die Kassen und die Rettungsdienste sich nicht zur Finanzierung des neuen Notarztes durchringen könnten, müsse er die Maßnahme per Anordnung erzwingen. "Ich drohe ungern mit so etwas", sagt er, "aber ich würde im Ernstfall nicht davor zurückschrecken."

Zahlenspiele

Zunahme
Ein Hauptgrund für die Probleme mit der Pünktlichkeit der Rettungsdienste im Kreis Ludwigsburg ist der drastische Anstieg der Einsätze. Während Notärzte im Jahr 2006 noch 3200-mal ausrücken mussten, wurden sie im vergangenen Jahr rund 6100-mal alarmiert. Hinter diesem landesweiten Trend steckt wohl hauptsächlich der demografische Wandel.

Statistiken
Das Sozialministerium hat zwar die aktuelle Rettungsfriststatistik für den Kreis Ludwigsburg bekanntgegeben, die Auswertung der Zahlen aus den anderen Kreisen dauern aber noch bis nach der Landtagswahl. mk