Eine Selbsthilfegruppe beklagt die Situation im Klinikum Ludwigsburg. Die Klinik sei seit Jahren überbelegt.

Ludwigsburg - Psychische Krankheiten sind noch immer mit Tabus behaftet. Wer wegen einer Depression oder Schizophrenie psychiatrisch behandelt werden muss, redet hinterher nur ungern darüber. Für die breite Öffentlichkeit sind die Verhältnisse in den psychiatrischen Kliniken deshalb ein blinder Fleck. Wilhelm Krauspe will das ändern. Der Rentner ist Mitglied der Selbsthilfegruppe von Angehörigen psychisch kranker Menschen (siehe "Hilfe zur Selbsthilfe"). Er will die Schweigespirale durchbrechen und auf Missstände hinweisen. "Es ist beileibe nicht alles in Ordnung", sagt Wilhelm Krauspe.

Seit Jahren weise seine Gruppe auf Mängel in der Fachabteilung des Ludwigsburger Krankenhauses hin. Es fehle nicht nur an Platz, sondern auch an Personal für die Betreuung der Patienten. Die Klinik sei seit Jahren überbelegt. Gerade bei den Depressionen sei die Zahl der Betroffenen deutlich gestiegen. "Hier wirkt sich die zunehmende Härte unserer Gesellschaft aus." Auch insgesamt sind die Fallzahlen angewachsen. 2006 hatte die Klinik laut ihren Qualitätsberichten noch 1050 Krankheitsfälle behandelt. Nur zwei Jahre später waren es etwa 2000 und damit fast doppelt so viele.

"Es finden zu wenige therapeutische Gespräche statt"


Das Personal leide unter einem chronischem Zeitmangel, kritisiert Krauspe: "Es finden zu wenige therapeutische Gespräche mit den Kranken statt." Es genüge nicht, nur Medikamente zu verabreichen. Das Angebot an Arbeits- und Ergotherapien sei ausgesprochen dürftig. Gerade bei seelischen Erkrankungen sei eine gute Betreuung für die Genesung unentbehrlich. Dass auch in der Psychiatrie gespart werde, "wird den Erkrankten nicht gerecht".

Hermann Ebel, der Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin in Ludwigsburg ist, gibt zu, dass es Mängel gibt. Allerdings sei der Anstieg der Fallzahlen weniger drastisch, als es die Qualitätsberichte vermuten ließen. Dort seien auch doppelte Diagnosen registriert. Die Zahl der tatsächlich behandelten, vollstationären Patienten sei von 2006 bis 2008 lediglich von 1315 auf 1400 angestiegen. Im vergangenen Jahr sei sie sogar leicht zurückgegangen.

Mängel im pflegerischen Bereich


Er wolle nichts schönreden, betont Ebel: "Der Zustand ist bei uns nicht immer gut." Zwar sei man mit knapp 22 Ärztestellen ordentlich besetzt. Aber im pflegerischen Bereich gebe es durchaus Mängel. So benötigte die Abteilung eigentlich 85 Pflegestellen, tatsächlich verfüge man aber nur über 75. Der Grund dafür, so Ebel, sei der Sparzwang im Gesundheitssystem, dem auch die psychiatrische Klinik unterliege.

Gleichzeitig spüre auch seine Abteilung den Anstieg der Erkrankungszahlen: "Freie Betten haben wir praktisch gar nicht mehr." Um keine Patienten abweisen zu müssen, müsse er zeitweise eine Überbelegung der Station in Kauf nehmen. Notfalls würde in ein Vierbettzimmer noch ein fünftes Bett gestellt. Etwa wenn Patienten, die in anderen Abteilungen des Hauses kuriert würden, in die Ludwigsburger Psychiatrie verlegt werden, obwohl sie aufgrund ihres Wohnorts eigentlich in Winnenden oder Weinsberg behandelt werden müssten. Finanzielle Vorteile habe seine Abteilung von der Überbelegung nicht.

In anderen Psychiatrien im Großraum Stuttgart scheint die Lage keinesfalls entspannter zu sein. "Das ist ein Phänomen in allen Psychiatrien", sagt ein Insider, der nicht namentlich genannt werden will. So finanzierte Stuttgart für 64 Millionen Euro ein Zentrum für seelische Gesundheit-um der Überbelegung der Psychiatrie im Bürgerhospital entgegen zu wirken.
Hilfe zur Selbsthilfe


Betroffene
Für Menschen mit seelischer Erkrankung ist es wichtig, sich nicht alleine zu fühlen-auch nach dem Ende einer klinischen Behandlung. Deshalb haben sich zahlreiche Initiativen für Psychiatrieerfahrene (IPE) gegründet.

Kontakt
Die IPE in
Ludwigsburg
ist erreichbar unter 07141/2981090 oder 07144/208732. Die Gruppe im Kreis
Böblingen
trifft sich jeden ersten Montag im Monat im evangelischen Gemeindehaus Sindelfingen und ist erreichbar unter der Rufnummer 07031/804223. Im Kreis
Esslingen
gibt es zwei Gruppen Psychiatrieerfahrener. Die Esslinger Vereinigung ist erreichbar unter 07153/42561, das Nürtinger Pendant unter 07022/46543. In
Stuttgart
gibt es die zentrale Anlaufstelle Offene Herberge, erreichbar im Internet unter www.offene-herberge.de ». Die
Waiblinger
Initiative hat die Rufnummer 07151/51258.

Angehörige
Fast ebenso betroffen wie die Kranken selbst sind die Angehörigen. Wer eine Selbsthilfegruppe sucht, wird auf der Homepage des Landesverbandes unter www.lvbwapk.de » fündig.