Uwe Moser digitalisiert Hunderte Luftbilder, die sein Vater Hugo Moser zwischen 1958 und 1981 vom Kreis und der Region geschossen hat. Für die Aufnahmen brauchte es Muskelkraft – und einen unempfindlichen Magen.

Kreis Ludwigsburg - Die Sonne scheint, das Wetter ist großartig, die Sicht ausreichend klar. Der Kollege Werner Kuhnle kündigt an, dass er am nächsten Tag zusammen mit dem Piloten Michael Beutel ins Ultraleichtflugzeug FK 9 steigen werde, um Luftfotos von Kornwestheim und Umgebung zu machen. Einen Tag später finden sich die Bilder im „Kornwestheim-Ordner“ des Redaktionsprogramms.

 

So unkompliziert und komfortabel hätte es Hugo Moser vor 60 Jahren auch gerne gehabt. Aber bevor der Kornwestheimer Fotograf in die Luft ging, waren umfangreiche Vorbereitungen notwendig, von der Nachbereitung im Labor oder dem Einholen von Genehmigungen für die Fotos ganz zu schweigen. 23 Jahre lang, von 1958 bis 1981, war Hugo Moser als Luftbildfotograf im Einsatz. Unzählige Negative und Dias hat er hinterlassen. Diesen Bilderschatz hat sein Sohn Uwe nun digitalisiert.

Im Herbst 1961 war es, als der Reporter Paul A. Schweizer Hugo Moser bei einem der Flüge über die Region Stuttgart begleitet hat. Seine Reportage hat er mit „Harte Arbeit, weiche Knie“ überschrieben, sie ist auch heute noch überaus lesenswert. Und witzig ist sie obendrein, denn Schweizer musste im Laufe der vierstündigen Tour feststellen, dass der „Rundflug über Schlösser und Burgen, über Städte, Flüsse und Werksanlagen“ alles andere war als das erhoffte Vergnügen.

Drei Fotoapparate baumeln von den Schultern

„Vorne in der Maschine sitzt links der Pilot. Rechts hat sich Hugo Moser breitgemacht. Von den Schultern baumeln ihm drei Fotoapparate, Präzisionskameras, die sich nicht nur durch ihren Wert von zusammen über 5000 Mark auszeichnen, sondern auch durch ihr Gewicht von rund 20 Kilogramm.“

Hugo Moser erblickte 1915 in Oßweil das Licht der Welt. Bei der deutschen Luftwaffe absolvierte er eine Ausbildung als Fotograf, nach dem Zweiten Weltkrieg schloss er noch eine Lehre bei Foto Binder in Ludwigsburg als „ziviler“ Fotograf an. Die ersten D-Mark verdiente er sich bei den in Ludwigsburg und Kornwestheim stationierten Amerikanern, die sich zu Familienfesten und zu Weihnachten von Hugo Moser ablichten ließen. Für Mosers Ehefrau hatte einer der Termine schmerzhafte Folgen. Das Magnesium, das für das Blitzlicht benötigt wurde, explodierte und setzte die Haare der Gattin in Brand. Glücklicherweise gab es keine bleibenden Folgen. Bleibende Schäden hat auch Paul A. Schweizer von seinem Flug mit Hugo Moser nicht davongetragen, aber durchaus bleibende Erinnerungen.

Der Fluggast wird ruhiger und ruhiger

„Noch ehe die Maschine den Stuttgarter Raum umflogen und Kurs auf das Remstal genommen hat, lernt der aufs Mal überraschend ruhig gewordene Fluggast Anweisungen wie ‚scharf links’, ,enge Kurve rechts’, ,runtergehen und dann links hochziehen’ aus tiefstem Magengrunde zu hassen. Hugo Mosers Lächeln wird von Minute zu Minute maliziöser. Während er mit den Fotoapparaten funktioniert, einer Plattenkamera mit einem 18-Zentimeter-Teleobjektiv, zwei Kleinbildkameras für Farbdias und gewöhnliche Schwarzweiß-Aufnahmen, während er die Lichtverhältnisse prüft und dem Piloten seine Anweisungen gibt, findet er noch Zeit, hin und wieder einen Blick nach hinten zu riskieren, wo einem Fluggast langsam die Erkenntnis dämmert, dass sich’s mit festem Boden unter den Füßen über Ansichten leichter streiten lässt als zwischen zwei Luftböen und drei Vollkreisen in 400 Metern Höhe über Wäldern und Städten.“

Wie viele Fotos Hugo Moser, der 1989 starb, vom Flugzeug aus geschossen hat, sein Sohn Uwe kann es gar nicht nachzählen. Allein für Kornwestheim hat er 300 verschiedene Motive ausgemacht. Und Hugo Moser hat ganz Baden-Württemberg von oben fotografiert. Jede einzelne Aufnahme musste zur Genehmigung eingereicht werden, Kasernen durften nicht fotografiert werden. Uwe Moser schwärmt von einer „perfekten Dokumentation“ der Bilder, zumindest in den Anfangsjahren. In einer Kladde notierte Hugo Moser Motiv und Aufnahmedatum in Sütterlinschrift. Für spätere Aufnahmen bemüht Uwe Moser Google Earth, um herauszufinden, was sein Vater fotografiert hat.

Ein kühler Wind bläst durch die offene Kabine

„Hugo Moser lässt sich für einen Augenblick auf den Sitz zurückfallen. Obwohl ein heftiger, kühler Wind in die offene Kabine bläst, hat er Schweißperlen auf der Stirn. Ständig die schwere Kamera gegen den Fahrtwind anstemmen und sie den Erschütterungen der Maschine fernhalten, das heißt, sie aus der vorgebeugten Haltung frei über die Tiefe halten, dabei in jedem Augenblick die technischen Daten, Lichtwerte, Entfernung, Schlusszeiten im Auge behalten, dem Piloten Anweisungen geben, nein, hier hört wohl das Vergnügen auf.

Für den Fluggast hört das Vergnügen in der Nähe Welzheims auf. Der Magen beharrte auf seinen Forderungen. Obwohl der solcherart erleichterte Mann mit jener ominösen Tüte einen See zu bombardieren beabsichtigte, lief eine Bauersfrau schnurstracks auf das Ding zu, das da aus einem Flugzeug auf ihren Acker geworfen wurde.“

Haupterwerbsquelle für Hugo Moser war aber nicht der Verkauf der Luftbildaufnahmen, sondern das Fotogeschäft in der Kornwestheimer Karlstraße, das er 1957 eröffnet hatte. Moser bot zusammen mit dem Heimatforscher Reinhold Kienzle auch Diavorträge über das alte Kornwestheim an. Und die, erinnert sich Uwe Moser, seien bestens besucht gewesen. Einen Film hat Hugo Moser auch gedreht: „Alltag in Kornwestheim 1956 – 1965“. Auch ihn will Uwe Moser in nächster Zeit digitalisieren. „Einmal hat sogar ein Fotoflug sein Ende.  [. . .] Der Kabine entsteigt ein Pilot, der lautstark nach einem Rostbraten brüllt, entsteigt ein Fotograf, der den Rauch einer Zigarette mit wahrer Wollust tief in die Lunge zieht, und entsteigt (nach einer geraumen Zeit) ein Passagier, der mit letzter Kraft sein grüngelbes Gesicht zu einer lächelnden Grimasse zurechtrückt. Hugo Moser lächelt auch, zwischen beider Lächeln aber liegt eine Welt von Empfindungen.“