Nach der Pleite von Air Berlin strukturiert sich der Markt neu. Künftig greifen die britische Airline Easyjet und die irische Billigfluglinie Ryanair die dominante Lufthansa auch im Inland stärker an.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Der Traum ist vorbei. Mit der Pleite von Air Berlin und dem letzten Flug am 27. Oktober 2017 endete nach 40 Jahren eine Ära im deutschen Luftverkehr. Vom vormals größten deutschen Konkurrenten der Lufthansa bleibt nicht mal der Name übrig. Nach heftigem Hin und Her haben wie erwartet die großen Wettbewerber die Flotte unter sich aufgeteilt. Auch die umkämpften Start- und Landerechte besitzen nun Marktführer Lufthansa und sein Ableger Eurowings, der britische Angreifer Easyjet sowie mittels Ex-Rennfahrer Niki Lauda indirekt der irische Billigflieger Ryanair. Vom Aus von Air Berlin profitierte besonders die Lufthansa als zunächst einziger Anbieter vor allem auf vielen inländischen Flugstrecken.

 

Als logische Folge des plötzlich stark verknappten Angebots schnellten die Preise zum Beispiel für Flüge zwischen Berlin und Stuttgart vorigen Herbst teils drastisch nach oben, auf 400 Euro und mehr. Die Nachfrage in den automatisierten Buchungs- und Preissystemen konzentrierte sich nicht nur dort auf die verbliebenen Plätze bei Eurowings. Seit Januar fliegt Easyjet die frühere Air-Berlin-Route, es gibt zumindest hier wieder Konkurrenz und die Lage hat sich entspannt. Wer Anfang Mai vom Neckar an die Spree düsen will, kann aktuell den Hinflug mit Handgepäck bei beiden Anbietern schon ab 50 Euro buchen. Nach Angaben der Suchplattform Kayak waren Flugreisen im Mai von Berlin nach Stuttgart oder Köln zuletzt durchschnittlich ein Fünftel billiger als vor einem Jahr zu haben. Dafür hat das Portal die Preise auf Kayak.de für Hin- und Rückflüge vom 1. Januar bis zum 4. April der Jahre 2017 und 2018 verglichen.

Kartellamt überprüft Lufthansa-Preise

Experten erwarten, dass die Tickets noch günstiger werden: „Durch die Konkurrenz von Easyjet und Ryanair auf dem deutschen Markt sind die hohen Lufthansa-Preise bereits gesunken und werden wohl auch in Zukunft noch sinken“, sagt Felix Methmann vom Verbraucherverband VZBV. Eine Entwicklung zu fairen, marktgerechten Preisen zeichne sich ab. „Es sollte zumindest auf keiner Strecke ein Monopol herrschen“, betont Methmann. Noch laufen die Prüfungen des Bundeskartellamts, dessen Präsident Andreas Mundt im November eine Überprüfung der Lufthansa-Preise eingeleitet hat. Verbraucherschützer Methmann begrüßt ausdrücklich, dass die Wettbewerbsbehörden eingegriffen haben und sich „allmählich das faktische Lufthansa-Monopol auflöst, das sich nach der Air-Berlin-Insolvenz durch die geschickte Übernahme gebildet hat“.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr muss auch auf dem deutschen Heimatmarkt künftig mit angriffslustiger Konkurrenz rechnen. In die Rolle der kaum noch handlungsfähigen Air Berlin ist mit Easyjet eine expansive Airline geschlüpft, die weitere große Pläne hat. Vorstandschef Johan Lundgren will Berlin mit mehreren hundert Euro Investitionen zur neuen Drehscheibe ausbauen und Easyjet zum „Homecarrier“ der Hauptstadt machen. Schon im stark erweiterten Sommerflugplan werden mehr als 100 Ziele angeflogen, die Passagierzahl allein in Berlin soll dieses Jahr um fast zwei Drittel auf 5,6 Millionen wachsen.

Easyjet nimmt Tegel ins weltweite Umsteige-Netzwerk auf

Damit nicht genug. Während Lufthansa weiter auf die Drehkreuze Frankfurt und München setzt und zum Ärger des Berliner Senats gerade den Direktflug von der Spree nach New York gestrichen hat, bietet Easyjet künftig den Berlinern auch verstärkt Kontinental- und Überseeverbindungen an. Dafür wird Berlin-Tegel ins weltweite Umsteige-Netzwerk der Briten aufgenommen, zu dem bereits Partner wie Norwegian, Westjet und Thomas Cook gehören. So werden zahlreiche Verbindungen in die USA und nach Asien über den schlagkräftigen Easyjet-Onlinevertrieb direkt buchbar.

Auch Michael O’Leary setzt verstärkt auf Berlin. Ab 1. Juni lässt der Ryanair-Chef zunächst vier Flieger des Partners Laudamotion in Tegel stationieren, nachdem sich die Iren unlängst 24,9 Prozent an der neuen Airline von Niki Lauda gesichert haben. Der Anteil soll, falls die Kartellbehörden zustimmen, auf 75 Prozent erhöht werden. Mit Laudamotion hat Ryanair einen wichtigen strategischen Partner für die weitere Expansion auf dem lukrativen deutschsprachigen Markt gewonnen.

Ryanair und Laudamotion sichern sich Start- und Landerechte

Trickreich sicherte sich Lauda noch einen Teil der Air-Berlin-Flotte und der Flugrechte, als Lufthansa und Eurowings auf Druck der Wettbewerbshüter bereits übernommene Flieger und die wertvollen Slots abgeben mussten. Die Start- und Landerechte können nun Ryanair und Laudamotion nutzen, die ab Juni mit 21 Flugzeugen von neun Städten in Deutschland und Österreich operieren. Sechs Flieger werden in der vormaligen Air-Berlin-Basis Düsseldorf stationiert, je vier in Berlin-Tegel und Wien, zwei in Zürich und je eine Maschine in Stuttgart, Frankfurt, München, Köln und Nürnberg. Insgesamt werden 65 Strecken zu 44 Zielen angeboten.

So will auch Ryanair der Lufthansa und Eurowings Kunden auf deren Heimatmarkt abjagen. Der verschärfte Wettbewerb wird vor allem über die Preise ausgetragen. Reisende können also auf günstige Flugtickets hoffen. Bahnen und Fernbusse müssen sich auf innerdeutschen Strecken auf noch stärkere Konkurrenz einstellen.