Der Europäische Rechnungshof zieht eine ernüchternde Bilanz zur Wirkung der EU-Luftqualitätsrichtlinie, die vor zehn Jahren in Kraft gesetzt wurde. Die Prüfer haben sich dazu sechs Ballungsräume angeschaut. Zu diesem Kreis gehört auch Stuttgart.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

In dem umfangreichen Bericht, den der EU-Rechnungshof zur Luftreinhalterichtlinie vorgelegt hat, haben sich die Prüfer auch mit den Messstellen in den sechs untersuchten Ballungsräumen Stuttgart, Brüssel, Mailand, Sofia, Krakau und Ostrava auseinandergesetzt.

 

Bemängelt wird die uneinheitliche Praxis bei der Einrichtung von Messstationen. Zwar lege die Richtlinie „Kriterien für die Mindestanzahl der Probenahmestellen und die Lage ihrer Standorte“ fest. „Die Bestimmungen zu den Standorten enthalten jedoch zahlreiche Kriterien und gewähren ein Maß an Flexibilität, das eine Überprüfung erschweren kann“. Das habe zur Folge, dass die „Mitgliedstaaten die Luftqualität nicht unbedingt in der Nähe großer Industriestandorte oder entlang der städtischen Hauptverkehrswege“ messen. Ein Schuh, den sich Stuttgart mit der Messstelle am stark frequentierten Neckartor nicht anziehen muss. Die Prüfer stellen fest, dass in allen Untersuchungsgebieten mehr Messstellen stehen, als es die Richtlinie vorschreibt. Das führe allerdings nicht zwingend zu einem differenzierten Bild. „Die zusätzlichen Messungen müssen in die von den Mitgliedstaaten gemeldeten Daten selbst in den Fällen nicht aufgenommen werden, in denen hohe Schadstoffkonzentrationen festgestellt werden“, moniert der Bericht. Das Fazit: „Im Hinblick auf die Messung der Luftqualität stellte der Hof fest, dass es keine hinreichende Sicherheit dafür gab, dass die Luftqualität von den Mitgliedstaaten an den richtigen Standorten gemessen wurde.“

Harsche Kritik an den Luftreinhalteplänen

Ihr Augenmerk legten die Prüfer auf die Schadstoffe Feinstaub (PM), Stickstoffdioxid (NO2) und Ozon (O3 ). Beim Feinstaub wurde zusätzlich noch zwischen den beiden Partikelgrößeklassen PM10 und PM2,5 unterschieden. Allerdings wurden nicht alle Schadstoffe in allen sechs Untersuchungsgebieten bewertet. In Stuttgart etwa spielte Ozon keine Rolle. „Insgesamt sind die gemessenen Luftschadstoffkonzentrationen zurückgegangen – am deutlichsten für PM10 – , aber sie überschreiten in allen Städten nach wie vor mindestens einen der in der Luftqualitätsrichtlinie vorgesehenen Grenzwerte“, analysieren die Prüfer. Sie weisen darauf hin, wie schwer sich die Politik mit Entscheidungen tut, die zur „Erreichung der Luftqualitätsziele“ beitragen könnten. „So zählt die Nutzung von Personenkraftwagen zu den Hauptursachen für die städtische Luftverschmutzung in Brüssel, Stuttgart und Mailand, und eine Begrenzung dieser Nutzung wäre die wirksamste Maßnahme.“

Strengere Grenzwerte werden empfohlen

Ein Hinweis, der im Rathaus durchaus Unterstützung findet. Stadtsprecher Sven Matis verweist darauf, dass man den öffentlichen Nahverkehr oder den Radverkehr stärke. „Dies soll den Umstieg vom Auto erleichtern.“ Ansonsten tut man sich mit einer Bewertung des vorgelegten Berichts schwer. Die meisten der untersuchten Punkte berührten andere Verwaltungsebenen wie das Land, den Bund oder die EU selbst, erklärt Rathaussprecher Sven Matis. „Die Themen Mobilität und Luftreinhaltung sind zentrale Daueraufgaben der Landeshauptstadt. Wir wollen Luftschadstoffe, Staus und Lärm senken, um so die Lebensqualität weiter zu erhöhen.“