Erst hat eine Mehrheit der Stuttgarter Stadträte Diesel-Fahrverboten vom Jahr 2018 an eine Absage erteilt – dann flammte am Tag danach auch in der Landespolitik der Disput über die geplante Maßnahme im Luftreinhalteplan Stuttgart wieder auf.

Stuttgart - Einen Tag nach der Ablehnung von temporären Diesel-Fahrverboten im Jahr 2018 durch die Stuttgarter Gemeinderatsmehrheit ist am Mittwoch der Disput über den richtigen Weg bei der Luftreinhaltung auch in der Landespolitik wieder aufgeflammt. Während Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die Entscheidung im Umweltausschuss als „sehr bedauerlich“ bezeichnete, aber sich das Ministerium bei möglichen konkreten Folgen für den Entwurf des Luftreinhalteplans eher bedeckt hielt, erklärte die CDU Konsequenzen für unvermeidlich.

 

Die CDU-Verkehrsexpertin Nicole Razavi sagte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man beim Land über dieses klare Votum der Stadt hinweggehen und den Entwurf des Luftreinhalteplans unverändert durchsetzen kann.“ Das Verkehrsministerium müsse einen Vorschlag machen, wie es weitergehen soll. Danach müssten die Verkehrspolitiker der Koalitionsfraktionen beraten. Die Situation sei nun auf jeden Fall schwierig. Es gebe durchaus Fakten, die man nicht einfach wegradieren könne: erstens das von der Europäischen Union angestrengte Verfahren, das auf die Einhaltung der Grenzwerte für Luftschadstoffe in Stuttgart zielt, zweitens eine anhängige Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH), drittens die vom Land in einem Gerichtsvergleich schon zugesagte Verkehrsreduzierung am Neckartor an schadstoffträchtigen Tagen von 2018 an.

Ministerium wird vor Gericht auf mögliche Verbote eingehen

Razavi machte für die missliche Lage allerdings weniger CDU, SPD und Freie Wähler verantwortlich, die den Empfehlungsbeschluss an diesem Donnerstag in der Vollversammlung verbindlich machen wollen; sie nahm Hermann und Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) aufs Korn: „Sie hätten es dazu gar nicht kommen lassen dürfen.“ Sie hätten frühzeitig ein tragfähiges Konzept abstimmen müssen.

Das Ministerium erklärte, die Stellungnahme der Stadt sei auch nur eine von rund 180 Stellungnahmen, die man bewerten werde, ehe der Luftreinhalteplan in Kraft treten soll. Allerdings handle es sich um die wichtigste Stellungnahme. Hermann hält der Ratsmehrheit zugute, dass „viele Maßnahmen eingebracht wurden, die in kommunaler Verantwortung umgesetzt werden können“. Er nannte die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs und den Ausbau der Radwege. „Das hätte man aber schon sehr viel früher, vor Jahren tun müssen“, sagte Hermann, „dann wären wir jetzt nicht gezwungen, solche drastischen Wege zu gehen.“ Für Stuttgart werde es am 19. Juli bei der Verhandlung der DUH-Klage ernst: „Dann müssen wir überzeugende und wirksame Maßnahmen vorlegen, um die Grenzwerte einzuhalten. Das ist eine Aufgabe für das Land und die Stadt.“

Eine Sprecherin des Ministeriums erklärte auf erneute Nachfrage, man werde dem Gericht am 19. Juli ein Bündel von Maßnahmen aufzeigen, zu denen wohl auch die Verkehrsbeschränkungen gehören – „das Gericht wird dann entscheiden, was wir umsetzen müssen“. Der Luftreinhalteplan soll erst danach, am 31. August, in Kraft treten.

Grüne verweisen auf Verantwortung von Alexander Dobrindt

Bedauern äußerten auch Landtagspräsidentin Muhterem Aras und Brigitte Lösch (Grüne), die wie Hermann ein Landtagsmandat in einem der vier Stuttgarter Wahlkreise halten. Aras ließ wissen, es gehe nicht um eine Bestrafung der Autofahrer in Stuttgart, sondern um Gesundheitsschutz. Solange Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU die Blaue Plakette nicht ermögliche, seien die diskutierten Fahrverbote leider unumgänglich. Lösch erinnerte daran, dass der Entwurf des Luftreinhalteplans von Grünen und CDU im Landtag gemeinsam verabschiedet worden sei. Beim Punkt Fahrbeschränkungen stehe vor allem der Gesundheitsschutz im Vordergrund. Sie bedauere, sagte Lösch, dass die CDU im Gemeinderat dies im Gegensatz zur CDU im Landtag nicht erkenne.

Während sich die Politiker auf Nachfrage äußerten, ging der Landesverband des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland selbst in die Offensive. Der Vorsitzende Matthias Lieb warf die Frage auf, ob das Auto wichtiger sei als die Gesundheit. Man habe den Eindruck, dass sich hier Parteien aus populistischen Gründen profilieren und die Verantwortung für Verbote der Konkurrenz zuschieben wollten. Damit würden sie aber einen Rechtsbruch billigend in Kauf nehmen und das Vertrauen der Bürger in Recht und Ordnung erschüttern.