Vor zwei Jahre hat das Land einen Vergleich mit klagenden Anwohnern des Neckartors geschlossen. Darin verpflichtet es sich, für weniger Verkehr zu sorgen, wenn die Schadstoffbelastung hoch ist. Weil aber nichts passiert, verhängte das Verwaltungsgericht jetzt ein Zwangsgeld.

Stuttgart - - Die grün-schwarze Landesregierung hat im juristischen Streit um saubere Luft am Neckartor eine weitere Niederlage einstecken müssen. Das Verwaltungsgericht verhängte ein Zwangsgeld in Höhe von 10 000 Euro, weil das Land einem im April 2016 mit zwei Stuttgarter Bürgern geschlossenen Vergleich nicht nachkommt. Darin hatte es sich verpflichtet, an Feinstaubalarm-Tagen mit hoher Schadstoffbelastung dafür zu sorgen, dass sich der Verkehr am Neckartor um 20 Prozent reduziert. Die 13. Kammer hatte dem Land nach mehreren Verlängerungen eine Frist bis zum 30. April 2018 gesetzt, um den Vergleich zu erfüllen. Da dies nicht erfolgt und von einer „zeitnahen Umsetzung nicht mehr auszugehen“ sei, so das Gericht im am Donnerstag veröffentlichten Beschluss, das Zwangsgeld geboten.

 

Argumente des Landes ziehen nicht

Das Land hatte vertreten durch den Regierungspräsidenten Wolfgang Reimer (Grüne) zuletzt argumentiert, dass eine Verkehrsverlagerung zugunsten des Neckartors auf anderen Straßen zu mehr Verkehr führe und dort hohe Schadstoffwerte verursache. Das hatte die Kammer zurückgewiesen. So würden die Ziele der Luftreinhaltung ausgehebelt.

Gegen den Beschluss kann das Land innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einlegen. Ob es das tut, ließen Regierungspräsidium und Verkehrsministerium am Donnerstag offen. Man bedauere aber das Urteil, hieß es. Dagegen erklärte der Kläger-Anwalt Roland Kugler: „Nachdem die Argumente des Landes in mehreren Sitzungen vor dem Verwaltungsgericht regelrecht zerpflückt wurden, gehen die Kläger davon aus, dass das Land seiner Verpflichtung aus dem Vergleich endlich nachkommt und nicht weiter auf Zeit spielt.“ In einem weiteren Verfahren, in dem es um die Ausweisung einer Stadtauswärts-Busspur zu Lasten des Autoverkehrs zwischen „Wulle-Steg“ und Neckartor geht, wartet das Gericht noch immer auf ein bis Ende August vom Verkehrsministerium zugesagtes Wirkungsgutachten. „Es liegt noch nicht vor“, so eine Ministeriums-Sprecherin. Anfang September werde dieses Zwangsvollstreckungsverfahren „mit Nachdruck“ weitergetrieben, kündigte Kugler an: „Wenn sich das Land auch dann nicht bewegt, werden die Kläger nicht zögern ein höheres Zwangsgeld und eine mögliche Zwangshaft zu beantragen.“

Anderes Zwangsgeldverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof

Damit gerät die Landesregierung juristisch weiter in die Defensive. Das Verwaltungsgericht hatte auf Antrag der Deutschen Umwelthilfe vor wenigen Wochen bei Androhung eines Zwangsgeld gefordert, dass im Luftreinhalteplan auch eine Regelung für Euro-5-Dieselfahrverbote aufgenommen werden müsse. Dagegen legte das Land Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein. Eine Entscheidung fällt frühestens im Herbst. Die grün-schwarze Landesregierung hofft, dass andere Maßnahmen die Luftbelastung so senken, dass ein Fahrverbot für Euro-5-Diesel überflüssig wird. Sie will dies Mitte 2019 prüfen.

Trotz dieser gerichtlichen Auseinandersetzungen treibt das Land den Luftreinhalteplan voran. Er wird von Montag an öffentlich ausgelegt, Stellungnahmen von Verbänden und Bürgern dazu sind bis Freitag, 12. Oktober, möglich. Sie fließen entweder in den Plan ein oder müssen begründet zurückgewiesen werden. Der Plan soll noch in diesem Jahr in Kraft treten.

Fahrverbote zentraler Bestandteil

Im Entwurf sind als zentraler Punkt Fahrverbote für Diesel-Autos bis einschließlich Euro-Norm-4 vom 1. Januar 2019 an enthalten. Für Stuttgarter Autobesitzer tritt das Verbot erst am 1. April 2019 in Kraft. Aufgenommen ist auch die umstrittene Maßnahme, von Anfang 2019 an eine Stadtauswärts-Fahrspur auf der B 14 zwischen „Wulle-Steg“ und Neckartor für Autos zu sperren und für den Busverkehr zu reservieren. Sie steht aber unter dem Vorbehalt, dass das Gutachten in diesem Sinn ausfällt. Ansonsten sind der Ausbau des ÖPNV, die Umrüstung auf schadstoffarme Busse und Fuhrparkfahrzeuge bei Stadt und Land sowie Tempo 40 auf weiteren Steigungsstrecken im Plan enthalten.

Bekräftigt hat Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die Absicht, dass Verstöße gegen das Fahrverbot, das in der gesamten Umweltzone Stuttgart gilt, mit 80 Euro Bußgeld bestraft werden.

Auslegung des Luftreinhalteplans

Der Dieselskandal – in unserem Video erfahren Sie, worum es geht