Die Stadträte diskutieren über eine kleine Umweltzone für Diesel-5-Fahrzeuge im Talkessel, in Bad Cannstatt, Feuerbach und Zuffenhausen. Doch die Entscheidung fällt erst in wenigen Monaten an anderer Stelle

Stuttgart - Wer einen Diesel fährt, hat es in diesen Tagen in Stuttgart nicht leicht. Alle Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter dürfen seit Monaten in der Landeshauptstadt weder bewegt noch auf öffentlichen Straßen geparkt werden. Seit dem 1. Januar sind auch Diesel-5-Fahrzeuge vom Fahrverbot betroffen – aber nur auf einzelnen Streckenabschnitten der B 14 und B 27.

 

Nun könnte es sein, dass ab 1. Juli die Fahrverbote noch einmal ausgeweitet werden – auf eine sogenannte kleine Umweltzone. Das Regierungspräsidium schlägt vor, den kompletten Talkessel, Zuffenhausen, Feuerbach und Bad Cannstatt „von den besonders dreckigen Fahrzeugen“ zu befreien, wie es Paul Schülé von der Umweltabteilung des Verkehrsministeriums am Dienstag im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik formulierte. Für ihn sei das die schnellste Lösung, um die teilweise immer noch zu hohen Stickstoffdioxid-Grenzwerte endlich einzuhalten. „Das müssen wir 2020 schaffen“, betonte Schülé.

Ob das Fahrverbot allerdings wirklich kommt, ist noch nicht klar. Das Regierungspräsidium möchte bis April warten. Falls zu diesem Zeitpunkt noch überhöhte Werte prognostiziert werden, müsse gehandelt werden. „Ich bin aber guter Dinge, dass die schon ergriffenen Maßnahmen ausreichen und greifen“, sagte Schülé. Das Verwaltungsgericht Stuttgart und das Bundesverwaltungsgericht könnten das allerdings anders sehen. „Wir müssen das Diesel-5-Fahrverbot verbindlich umsetzen“, sagte Christoph Ozasek (Die FrAKTION). Und zwar im gesamten Stadtgebiet und nicht nur in einer kleinen Umweltzone. Gegen diese Entscheidung hat das Land am Dienstag Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg eingereicht.

650 neue Verkehrsschilder sollen erst einmal aufgestellt werden

Unabhängig von den noch ausstehenden Beschlüssen der Gerichte muss der Gemeinderat aber in seiner Vollversammlung am heutigen Donnerstag eine Stellungnahme zur möglichen Erweiterung der Fahrverbote beschließen. Die CDU hat schon am Dienstag im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik gegen ein zonales Fahrverbot gestimmt. Das sei kein geeignetes Mittel, um die Grenzwerte einzuhalten, betonte Fraktionsvorsitzender Alexander Kotz. Jürgen Zeeb (Freie Wähler) sprach von „kalter Enteignung der Stuttgarter“. Auch Martin Körner (SPD) war nicht zufrieden: „Normale Leute verstehen das nicht mehr, was hier stattfindet.“ Nun sei die dritte Fahrverbotszone im Gespräch. „Das ist doch alles nicht mehr so kontrollierbar, dass es für belegbare Verbesserungen der Grenzwerte sorgen kann.“ Armin Serwani (FDP) rechnet durch die kleine Umweltzone mit einer wahren Schilderlawine und einem noch größeren Durcheinander für die Autofahrer. Allein rund 650 neue Schilder werden derzeit vorbereitet, um eine weitere Maßnahme aus dem Luftreinhalteplan umzusetzen: Tempo 40 auf einigen Vorbehaltsstraßen wie zum Beispiel auf der Bludenzer Straße in Feuerbach sowie auf dem Teilstück der Schwieberdinger Straße zwischen Einmündung Marconi- und Wernerstraße in Zuffenhausen. Voraussichtlich bis Mitte/Ende Mai sollen alle Schilder aufgestellt sein, vorausgesetzt die Witterungsverhältnisse lassen dies zu. Und: vorausgesetzt, es müssen keine zusätzlichen Schilder für eine neue Diesel-5-Fahrverbotszone aufgestellt werden. „Dann müssten wir die Prioritäten ändern“, sagte Michael Münter vom Referat Strategische Planung und Nachhaltige Mobilität.

Die Stadträte wissen jedoch, dass sie auf den Entwurf der neuen, fünften Fortschreibung des Luftreinhalteplans, zu der auch die kleine Umweltzone gehört, so gut wie keinen Einfluss nehmen können. Sie formulieren zwar Wünsche und Forderungen an das Regierungspräsidium. Doch eine Entscheidung fällt das Land. Nichtsdestotrotz hat der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik am Dienstag mehrheitlich gefordert (9:6), dass in einer möglichen neuen kleinen Umweltzone für Diesel-5-Fahrzeuge Anwohnern eine Übergangsfrist von zwei Jahren eingeräumt wird, ehe sie sich an das Verbot halten müssen. Im Entwurf des Landes ist von drei Monaten die Rede.

Tempo-30-Versuche sollen nachts starten

Zudem haben die Stadträte am Dienstag zwei Anträge aus dem Zuffenhäuser Bezirksbeirat unterstützt. Mehrheitlich (11:5) wollten die Lokalpolitiker eine Messstelle für Stickstoffdioxid und Feinstaub an der B 10/27 im Bereich des Kulturzentrums. Paul Schülé versicherte, dass die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) das derzeit prüfe. Auch der Wunsch aus Zuffenhausen fand Gehör, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der B 10/27 – zwischen der Auffahrt Friedrichswahl und dem Ende der Wohnbebauung – auf 60 Stundenkilometer herabgesetzt wird. Die Fraktion der Grünen im Gemeinderat möchte aber auf noch mehr Straßen die Geschwindigkeit drosseln. Bis zur heutigen Gemeinderatssitzung soll dazu eine Vorlage zur Abstimmung erstellt werden.

Nur drei Ja-Stimmen erhielt dagegen der Antrag aus dem Cannstatter Bezirksbeirat, im gesamten Stadtbezirk Tempo 30 einzurichten. Dagegen plädierte die Mehrheit des Ausschusses (9:6) dafür, dass in den von der kleinen Umweltzone betroffenen Bezirken ein Pilotversuch starten soll – Tempo 30 in der Nacht.