Es gebe überall Blockaden, was das Durchsetzen von Fahrverboten zugunsten sauberer Luft anbelangt, sagt die Deutsche Umwelthilfe. Hamburg gilt als Vorreiter, aber wie sieht es in anderen Städten aus?

Stuttgart - Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zur Zulässigkeit von Fahrverboten für ältere Dieselautos in Stuttgart und Düsseldorf ist Bewegung in eine Debatte gekommen: Fast alle Großstädte und Landesregierungen diskutieren seither Fahrverbote und die dafür zuständigen Mittelbehörden überarbeiten die Luftreinhaltepläne. Gegen 28 Städte führt die Deutsche Umwelthilfe Klage wegen einer Überschreitung der Stickoxidwerte, die vor allem aus Dieselabgasen stammen. Im folgenden ein Blick auf Städte, die exemplarisch für unterschiedliche Positionen stehen.

 

Hamburg: belächelter Vorreiter

Das seit Ende Mai geltende Fahrverbot für Dieselfahrzeuge, die die Euronorm 5 und schlechter erfüllen, ist viel belächelt worden. Eine Posse, hieß es, denn gesperrt werden nur zwei besonders belastete Straßen, der Verkehr werde nicht weniger, sondern nur umgeleitet. Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bescheinigt dem Stadtstaat trotzdem eine Pioniertat: „Hamburg ist zumindest die Stadt, die das Instrument Fahrverbote schon angewandt hat. Sein Beispiel zeigt, dass es grundsätzlich keine rechtlichen Probleme damit gibt.“ Mittlerweile sind die ersten Bußgelder für ertappte Diesel-Sünder ausgestellt worden.

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Aachen – unter Druck

Die Kaiserstadt wehrt sich mit Händen und Füßen gegen Fahrverbote, kommen werden sie vielleicht trotzdem für fast das gesamte Stadtgebiet. Die zuständige Bezirksregierung soll bis Ende des Jahres einen neuen Luftreinhalteplan vorlegen, denn ein jüngeres Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen ist eindeutig: Ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge sei mit hoher Wahrscheinlichkeit das einzige Mittel, damit die Stickoxid-Grenzwerte bis Anfang 2019 eingehalten werden. Es sei „völlig unklar“, wie ein Fahrverbot gestaltet werden soll, sagt Harald Beckers von der Stadt. Aachen habe durch drei Ringstraßen sowie den hohen Anteil von Autofahrern aus Holland und Belgien einige Besonderheiten. Schon jetzt seien Politessen machtlos, wenn sie ausländische Autos ohne grüne Plakette in der Umweltzone erwischten.

München: der Freistaat zahlt

Für München hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach die Fortschreibung des Luftreinhalteplans angemahnt und wegen der Verweigerungshaltung der Behörden Zwangsgelder in Höhe von 10 000 Euro angesetzt. Die zahlte der Freistaat stets brav, das Geld fließt immerhin zurück an den bayerischen Finanzminister. Die DUH will aber bald die Zügel anziehen und auf dem Klageweg eine Zwangshaft für den zuständigen Behördenleiter anordnen lassen. Es sei moralisch verwerflich, dass ein Bundesland einfach rechtskräftige Urteile ignoriere, sagt Jürgen Resch. Die grün-schwarze Landesregierung in Stuttgart könne sich so etwas sicher nicht erlauben: „Kretschmann ist nicht Seehofer.“ Die Stadt München selbst lehnt übrigens streckenbezogene Fahrverbote ab, da sie nur das Problem verlagern würde. Sie schlägt eine Weiterentwicklung ihrer Umweltzone vor.

Düsseldorf: warten auf die Behörde

So wie die Stuttgarter warten auch die Düsseldorfer darauf, dass die für sie zuständige Bezirksregierung einen geänderten Luftreinhalteplan erlässt. Düsseldorfs SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel will Fahrverbote „unbedingt vermeiden“ und ist sich damit eins mit Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Der sagte in einem Interview, er halte Fahrverbote in Nordrhein-Westfalen „für unverhältnismäßig im Sinne des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts“. Was die Bezirksregierung sage, dass müsse sie mit der Landesregierung „rückkoppeln“.

Kiel: von wegen Meeresluft

Eine Brise der Ostsee nützt in den Straßenschluchten von Kiel auch wenig. Wegen der hohen Stickoxidbelastung wird in der Jamaika-Koalition (CDU, FDP, Grüne) munter über Fahrverbote gestritten. Grünen-Umweltminister Robert Habeck – noch bis September im Amt, dann nur noch Grünen-Bundesparteichef – hatte einen Vorentwurf für einen Luftreinhalteplan verfasst. Darin ist für eine Stadtautobahn eine Schutzmauer sowie ein teilweises Fahrverbot für ältere Diesel vorgesehen. Prompt zog CDU-Ministerpräsident Daniel Günther die Bremse in einem Interview mit den „Kieler Nachrichten“: Habeck werde beim Ausscheiden aus dem Kabinett ein Abschiedsgeschenk erhalten, das werde „aber garantiert keine Fahrverbot für Diesel-Autos sein“.

Berlin: Luft, Luft, Luft

Im rot-rot-grünen Senat ist die Parteilose aber von den Grünen entsandte Regine Günther für Umwelt und Verkehr zuständig. Sie versucht in Modellversuchen mit Tempo-30 an Hauptstraßen und einer Verstetigung des Verkehrs durch grünen Wellen die Stickoxidbelastung zu verringern. „Wir lasssen erstmal alle Autos auf der Straße“, sagte sie kürzlich. Man wolle erst mal schauen, was diese Maßnahmen brächten: Komme man an sehr hoch belasteten Straßen aber nicht unter die Grenzwerte, „werden wir zusätzlich über Fahrverbote nachdenken“.