Anlass für die Forderung sind die Fortschritte bei der Luftreinhaltung in Stuttgart. Gemeinsam mit Vertretern der KfZ-Innung Region Stuttgart stellt der Landtagsabgeordnete die Fahrverbote für Diesel Euro 4 und Euro 5 in Frage.

Stuttgart - Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat es diese Woche verkündet: 2021 ist die Luft in allen baden-württembergischen Städten deutlich sauberer geworden. Nachdem bereits die Feinstaub-Grenzwerte seit 2018 landesweit eingehalten werden, sei das nun, mit Ausnahme einer einzigen Messstelle in Ludwigsburg, auch beim Stickstoffdioxid (NO2) gelungen – in Stuttgart an etlichen Messpunkten allerdings nur haarscharf.

 

Vor-Ort-Termin am Neckartor

Für den FDP-Landtagsabgeordneten Friedrich Haag Anlass genug, die seit drei beziehungsweise eineinhalb Jahren geltenden Fahrverbote in der Landeshauptstadt für Diesel der Schadstoffklassen Euro 4 und 5 jetzt in Frage zu stellen. Am Donnerstagnachmittag hat Haag gemeinsam mit Vertretern der KfZ-Innung Region Stuttgart bei einem Vor-Ort-Termin am Schadstoff-Messpunkt Neckartor dafür kräftig die Werbetrommel gerührt.

Der FDP-Politiker sieht es demnach aktuell als keineswegs erwiesen an, dass es konkret die Diesel-Fahrverbote sind, die eine „maßgebliche Rolle“ für die Luftverbesserung spielen. Beigetragen hätten vielmehr „die natürliche Flottenerneuerung, die Abgasreinigungssysteme sowie die Luftfiltersäulen an den Straßen“. Haag forderte Verkehrsminister Hermann auf, „die Fahrverbote jetzt zurückzunehmen“.

Verkehrsminister will nicht an Fahrverbot rütteln

Der Minister selbst hatte diese Woche in der Sache freilich genau umgekehrt argumentiert: Zwar haben nach Hermans Dafürhalten „der Modernisierungsprozess zu neuen schadstoffärmeren Fahrzeugen“ sowie die Erneuerung der Fahrzeugflotte tatsächlich einen Beitrag zur Luftqualitätsverbesserung geleistet. Doch letzteres sei, so das Verkehrsministerium, eben erst durch die partiellen Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge vorangetrieben worden. Dass die Fahrverbote für Dieselautos nun trotz der positiven Schadstoffentwicklung weiterhin gelten sollen, sei dem Umstand geschuldet, dass die NO2-Grenzwerte an den neuralgischen Stellen in Stuttgart im vergangenen Jahr „nur knapp“ eingehalten werden konnten. „Alle ergriffenen Maßnahmen zur Reduktion der Stickstoffdioxidwerte sind deshalb weiterhin notwendig“, betont das Ministerium.

Ergebnissoffene Diskussion gefordert

Für Haag ein Unding: Er drängt am Donnerstag darauf, dass Politik Planungssicherheit bieten müsse. „Wenn den Menschen gesagt wird, dass sie ihre Autos wieder fahren dürfen, wenn die Grenzwerte eingehalten werden, muss dieses Versprechen auch erfüllt werden“, so der Verkehrspolitiker. Ins selbe Horn stößt der Geschäftsführer der KfZ-Innung Region Stuttgart, Christian Reher: „Die Branche steckt in einem herausfordernden Transformationsprozess. Unsere Autohäuser brauchen deshalb genauso wie die Bürger verlässliche Rahmenbedingungen.“ Reher plädiert in diesem Zusammenhang für eine „ergebnisoffene Diskussion über die Antriebstechnologien der Zukunft“. Als Beispiel nennt er den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen im Verbrennungsmotor.

Welchen Abteil hat Corona?

Offen ist, welcher Anteil an den Schadstoffminderungen der vergangenen zwei Jahre auf das Konto der Coronapandemie geht. Laut Haag belegt der Fall der Messstelle Schlossstraße in Ludwigsburg, dass dieser nicht allzu hoch sein könne. Seine Begründung: Dort sei die NO2-Belastung vom Lockdown-Jahr 2020 auf das Jahr 2021, als mutmaßlich wieder mehr Fahrzeuge unterwegs waren, weiter gefallen.