Das Land will Christoph 41 von Leonberg abziehen. Doch Cohn und Bernhard setzen auf eine Dauerbereitschaft. Freie Wähler erwägen Einsätze in Eigenregie.

Ist der 24-Stunden-Betrieb der Schlüssel für eine Hintertür, um den Verbleib des Rettungshubschraubers Christoph 41 am Leonberger Krankenhaus doch noch zu sichern? Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) jedenfalls hält die Frage der Rund-um-die-Uhr-Versorgung keinesfalls für abschließend geklärt.

 

„Ich bin sehr erstaunt, dass der Staatssekretär Wilfried Klenk eine Entscheidung gegen Leonberg trifft, obwohl er noch überhaupt nicht weiß, ob der Standort Pattonville funktioniert“, sagt der OB im Gespräch mit unserer Zeitung. Erst vor einer guten Woche hatten er und Landrat Roland Bernhard (parteilos) Leonberg als Standort für einen 24-Stunden-Rettungsbetrieb ins Gespräch gebracht. Bislang ist hierfür die Hubschrauber-Station Pattonville vorgesehen. „Doch es ist keineswegs klar, dass der Dauerbetrieb dort in trockenen Tüchern ist“, sagt Cohn.

Landrat: Umgang ist frustrierend

Ähnlich sieht es der Landrat des Kreises Böblingen. „Wir bedauern die Entscheidung“, erklärt Roland Bernhard. „Viele Menschen haben sich für den Standort Leonberg starkgemacht, Zehntausende haben eine Petition unterschrieben. Da ist es frustrierend, wenn so damit umgegangen wird.“

Am Ende müsse man natürlich immer eine im demokratischen Prozess getroffene Entscheidung der Landesregierung akzeptieren. Man vertraue darauf, so der Landrat, dass die rettungsdienstliche Versorgung im hochverdichteten Raum rund um die Landeshauptstadt keinen Nachteil erfahre. „Insbesondere stehen wir zu unserem jüngst gemachten Angebot, als Standort für einen 24-Stunden-Betrieb zur Verfügung zu stehen, sollte dieser in Pattonville nicht realisiert werden können.“ Dafür will Bernhard alle Beteiligten zu einem Gespräch einladen.

Staatssekretär pocht auf das Gutachten

Auch der für die Luftrettung im Land zuständige Innen-Staatssekretär Wilfried Klenk (CDU) schließt einen Rund-um-die-Uhr-Betrieb in Leonberg nicht kategorisch aus. Sollte sich Pattonville nicht realisieren lassen, so hatte er in der vergangenen Woche bei einem Redaktionsbesuch erklärt, „werden die Karten neu gemischt“.

Grundsätzlich ließ Klenk allerdings keinen Zweifel dran, dass der seit mehr als 30 Jahren in Leonberg stationierte Rettungshubschrauber in den Bereich Reutlingen/Tübingen verlegt werden soll. Er beruft sich auf ein Gutachten, das vor vier Jahren von seinem Haus in Auftrag gegeben wurde. In diesem wird der Bereich an der Schwäbischen Alb als unterversorgt bezeichnet. Die Argumente, die rund um Leonberg für einen Verbleib des Rettungshubschraubers vorgebracht werden, hält Klenk nicht für stichhaltig. Für ihn ausschlaggebend sind die Schlüsse, die im Gutachten gezogen werden, also die Verlegung der Hubschrauber von Leonberg und auch von Friedrichshafen.

Entsetzen bei den Rettungskräften

Das Technische Hilfswerk (THW) und die Feuerwehr, die eine Petition für den Verbleib des Hubschraubers initiiert hatten und die von rund 28 000 Menschen unterstützt wurde, könnten das große Ganze nicht überblicken. „Ohne ihr Engagement schmälern zu wollen, spreche ich ihnen die Kompetenz in dieser Frage ab“, hatte der CDU-Politiker im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt. „Selbst ich hätte eine solch komplexe Thematik nicht alleine entscheiden können.“ Zum Beleg für die eigene Expertise verweist der 63-Jährige auf seine fast 4o-jährige Erfahrung im Rettungswesen. 24 Jahre hat er den Stuttgarter Rettungsdienst geleitet.

Dass die Angesprochenen alles andere als begeistert sind, lässt sich unschwer erahnen. „Wenn der Herr Staatssekretär dieser Meinung ist, dann gönne ich sie ihm und wünsche ihm einen baldigen Ruhestand“, meint der Leonberger THW-Chef Matthias Schultheiß. „Nach der Entscheidung des Petitionsausschusses hatte ich keine Hoffnung mehr. Trotzdem war es richtig, dass wir mit der Petition den Stein ins Rollen gebracht haben.“

In der Leonberger Feuerwehr haben die Aussagen des Staatssekretärs „ziemliches Entsetzen“ hervorgerufen, wie es der Gesamtkommandant Wolfgang Zimmermann ausdrückt. Angesichts der zahlreichen Unfälle auf den Autobahnen sei der hier stationierte Hubschrauber lebensrettend. „Wenn der erst einmal eine halbe Stunde braucht, kann es schon zu spät sein.“

Zimmermann betont, dass seinen Kameraden und ihm die Menschen auf der Alb genauso am Herzen liegen. Aber dass dort nicht ein zusätzlicher Standort machbar sein soll, ist für ihn nicht nachvollziehbar. „In Norddeutschland gibt es eine deutlich größere Dicht an Rettungshubschraubern“, sagt der Feuerwehrchef. „Warum das bei uns nicht gehen soll, ist unverständlich. Dass jedes Bundesland sein eigenes Ding macht, ist schon grenzwertig.“

Landkreise als Betreiber?

Vielleicht könnte das mit dem „eigenen Ding“ ja sogar ein Ausweg sein, zumindest was die regionale Ebene betrifft. „Wenn die Landesregierung der Meinung ist, dass hier ein Rettungshubschrauber unnötig ist, müssen wir vor Ort über einen Plan B nachdenken“, sagt Axel Röckle.

Der Fraktionschef der Freien Wähler im Leonberger Gemeinderat könnte sich eine von mehreren Landkreisen betriebene Station vorstellen: „Die Infrastruktur ist vorhanden. Wir haben am Krankenhaus den Hangar, den Landeplatz, und wir haben die Klinikärzte. Träger eines eigenen Hubschraubers könnten die Kreise Böblingen, Calw und der Enzkreis sein.“ Der Kreis Ludwigsburg kommt für Röckle eher nicht infrage, weil es dort mit Pattonville ja schon ein eine eigene Station gibt.

Unabhängig davon hält Röckle eine Überprüfung des Gutachtens für dringend erforderlich, nicht zuletzt weil die Rettungsfristen stark verkürzt wurden. Die ersten Hilfskräfte müssten künftig in zwölf Minuten nach Alarmierung am Einsatzort sein. Bisher betrug die Rettungsfrist eine Viertelstunde.

Kritik an der Kommunikation

Auch Röckles CDU-Kollegin Elke Staubach hat Zweifel, ob das Gutachten noch der Wirklichkeit entspricht. „Gibt es doch Punkte, wie die Wetterverhältnisse, die in dem Gutachten keine Berücksichtigung fanden. Und wie sieht der Bund der Steuerzahler eine Verlegung, wenn am jetzigen Standort optimale Voraussetzungen vorzufinden sind?“

„Die CDU Leonberg hätte von Herrn Klenk mindestens erwartet, dass er sich einer Diskussion vor Ort stellt“, kritisiert der Stadtverbandsvorsitzende Oliver Zander. „Stattdessen wird verkündet: Basta, so ist es! Das entspricht nicht dem Verständnis der CDU Leonberg von einer modernen und wertschätzenden Kommunikation mit den Mandatsträgern und der Bevölkerung.“ Seinen Unmut will Zander in einem Brief an Innenminister Thomas Strobl (CDU) und Staatssekretär Klenk zum Ausdruck bringen.

Die Leonberger CDU plädiert für eine öffentliche Diskussion, an der auch Vertreter des Gutachterbüros dabei sind. „Anschließend kann sich die Bevölkerung ein eigenes Bild von der Sinnhaftigkeit oder Nichtsinnhaftigkeit der Verlegung des Christoph-41-Standorts machen“, sagt Zander.

Beim möglichen neuen Standort Wannweiler bei Reutlingen haben unterdessen bei einem Bürgerentscheid 57,64 Prozent für eine Hubschrauber-Station gestimmt.