Die Landesregierung macht ernst: Ab 2018 sollen bei Feinstaubalarm viele dieselbetriebene Autos nicht mehr überall fahren dürfen. Vor allem der Talkessel soll frei bleiben. Trotz erhöhter Messwerte in Bad Cannstatt sind dort noch keine Fahrverbote geplant.

Bad Cannstatt - Ab 2018 wird es bei Feinstaubalarm in Stuttgart Fahrverbote geben. Das hat die Landesregierung am Dienstag beschlossen. Dieselfahrzeuge, welche die Abgasnorm Euro 6 nicht erfüllen, sollen dann „besonders betroffene“ Straßen nicht mehr befahren dürfen. Vor allem im Talkessel wird das Fahrverbot zum Tragen kommen – aber wohl auch in Teilen von Zuffenhausen und Feuerbach, wie das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg auf Nachfrage mitteilt.

 

Konkreter wird man bei der Behörde nicht. Das übernimmt der Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Gerhard Pfeifer, der zumindest einige Straßen exemplarisch nennt: „Besonders hohe Werte oberhalb des Grenzwertes wurden unter anderem an der Steiermärker und Bludenzer Straße in Feuerbach sowie an der Schwieberdinger, Ludwigsburger und Schozacher Straße in Zuffenhausen ermittelt.“ Allerdings wundert sich Pfeifer, warum keine Fahrverbote in Bad Cannstatt geplant sind, obwohl auch dort erhöhte Grenzwerte festgestellt wurden. Betroffen seien die Waiblinger, Schöne- und die Schmidener Straße, östlich der Gnesener Straße. „Bad Cannstatt sollte miteinbezogen werden“, fordert Pfeifer.

Warum der Stadtbezirk von Fahrverboten verschont bleiben soll, erklärt Edgar Neumann von der Pressestelle des Verkehrsministeriums wie folgt: „Grenzwertüberschreitungen liegen lediglich an Hauptverkehrsachsen mit hohem Verkehrsaufkommen und schlechter Durchlüftung aufgrund von enger Randbebauung vor. Die Stickstoffdioxidbelastung an der in Bad Cannstatt gelegenen, verkehrsnahen Messstation Waiblinger Straße ist deutlich geringer als an den Stationen im Talkessel. Die geplanten Maßnahmen bewirken auch eine Verbesserung der Luftqualität im gesamten Stadtgebiet und damit auch in Bad Cannstatt.“

Die blaue Plakette wäre den Verantwortlichen lieber gewesen

Klar ist, dass die Ziele der Landesregierung nicht nur durch Fahrverbote erreicht werden können. „Die Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart wird ein umfangreiches Maßnahmenbündel zur Verbesserung der Luftqualität vorsehen“, betont Neumann. Zu den weiteren Maßnahmen würden vor allem die Verbesserung und der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs und des Rad- und Fußverkehrs zählen. Zudem müssten umweltverträgliche Antriebe wie Elektromobilität gefördert und weitere Feinstaub-Quellen wie Baumaschinen und Komfort-Kamine verringert werden.

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann wäre es allerdings lieber gewesen, auf das Modell der blauen Umweltzone zugreifen zu können, als Fahrverbote zu verhängen. Doch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt verhindert derzeit noch die Einführung der neuen Plakette: „Dann müssen wir also ab 2018 über die Straßenbeschilderung auf die Verbote hinweisen. Das ist aber eine eher unpraktikable Lösung.“ Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn spricht von stichprobenartigen Polizeikontrollen, die es bei Fahrverboten geben müsse. „Selbstverständlich wird es aber Ausnahmen zum Beispiel für den Lieferverkehr und Handwerker geben, wenn der neue Luftreinhalteplan in Kraft tritt. Niemand will ja Stuttgart lahmlegen.“

Unabhängig von der Entscheidung der Landesregierung sei die Stadt unermüdlich in Sachen Luftreinhaltung unterwegs. „Der Kampf gegen Feinstaub und Stickstoffdioxid bleibt eine Daueraufgabe für uns. Jedes Mikrogramm weniger, das in Stuttgart gemessen wird, ist ein Gewinn für die Stadt und die Gesundheit der Stuttgarter Bürger. Wir werden deshalb unsere Anstrengungen weiter fortsetzen und intensivieren“, sagt Kuhn. Nach wie vor falle es vielen Autofahrern schwer, bei Feinstaubalarm auf ihr Auto zu verzichten. Doch jeder wisse nun, was für Verkehrsbeschränkungen ab 2018 kommen können. „Alle können sich nun darauf einstellen und nach für sie passenden Mobilitätsalternativen umschauen. Ich bleibe dabei: Jeder kann heute schon freiwillig durch Verzicht aufs Auto einen Beitrag für eine bessere Luft und damit für die Gesundheit aller, die hier leben und arbeiten, leisten“, betont der Oberbürgermeister.