Die Künstlerin Oana Vainer geht mit einem Stipendium des Landes für ein halbes Jahr nach Paris.

Luginsland - Wer den Namen Oana Vainer im Internet in eine Suchmaschine eingibt, stößt auf ein paar Videoaufnahmen, die Dinge zeigen, die aus dem Rahmen fallen: Mal vermischt die rumänische Künstlerin, die mit ihrer Familie in Luginsland wohnt, ein Glas Honig und ein Glas Nutella miteinander. „Das hat etwas mit Liebe zu tun.“ Dann versucht sie, in der ungarischen Hauptstadt Budapest ein Gebäude wegzuschieben. Oder sie gibt Straßenlöchern in der estnischen Hauptstadt Tallinn einen Namen und einen Ausweis. Gewöhnlich ist das nicht.

 

Oana Vainer sitzt in ihrem erst kürzlich bezogenen Atelier in Bad Cannstatt an der Brückenstraße. Der grüne Tee dampft in der Kanne. Die Kartons mit ihren alten Keramikarbeiten aus ihrem ersten Studium im rumänischen Bukarest stehen noch in einer Ecke. An der Wand hängen Schriftzüge: „Hangar“ oder „Hanbar“. In der Nähe der Heizung zeugen noch Holzplatten und -latten sowie ein kleiner Karton von ihrer jüngsten Arbeit. „Dies ist der Ort, wo ich als Freelance-Künstlerin starten kann“, sagt Oana Vainer und lächelt. Erst im November hat sie ihr zweites Studium an der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste zu Ende gebracht.

Oana Vainer hängt nicht an einem bestimmten Material. Es geht mehr um die Aussage, die Idee, das Konzept. „Kunst kann auch nur eine Geste sein. Das muss man nicht verkaufen können“, sagt die 32-Jährige.

„Durch das Verbrennen haben wir das Projekt zu Ende geführt“

In Bukarest hatte sich Oana Vainer noch an einen bestimmten Werkstoff gebunden und Keramik studiert. „In Rumänien geht es vor allem um das Material. Man ist dadurch sehr festgelegt.“ Mehr als 20 Jahre nach dem Sturz der kommunistischen Regierung sei ein freieres Denken zu beobachten. Oana Vainer hat sich im Jahr 2007 durch die Videokunst von den Zwängen befreit. „Kunst muss frei sein“, meint sie und nippt an ihrem Tee. So frei, dass sie diese am Ende selbst zerstört – natürlich als Teil des künstlerischen Prozesses.

„Through your eyes I can see“, heißt das Projekt, das sie gemeinsam mit ihrem Bruder Mircea Vainer durchgezogen hat. Beide haben jeweils ein halbes Holzschiff gebaut – sie in Stuttgart, er in Bukarest. Drei Monate lang haben die Geschwister gezimmert, gehämmert, konstruiert, betrachtet und sich über das Internet-Bildtelefonsystem Skype über ihre Fortschritte unterhalten. Verbunden wurden die zwei Hälften am Ende nur virtuell: „Nur durch das Skype-Fenster sind die beiden Teile zu einem Schiff geworden“, sagt Oana Vainer. Das Internet habe dabei wie ein Magnet gewirkt.

Im Mai diesen Jahres folgte „The unforgettable fire“. Oana und Mircea Vainer zerlegten ihre Schiffshälften wieder und verbrannten sie. Die Bilder dazu – wie etwa Oanas Hälfte auf der Egelseer Heide in Rotenberg am Grillplatz in Flammen steht – sind wieder im Internet zu sehen. „Durch das Verbrennen haben wir das Projekt zu Ende geführt“, erklärt die Künstlerin. Sie sieht diese Aktion in einem Zusammenhang mit dem Einäschern von Toten in verschiedenen Kulturen.

Kekse aus Asche

Beendet ist das Projekt allerdings noch nicht. Mit der Asche will Oana Vainer nun Kekse backen und sie in einer Holzbox aufbewahren. Die Installation wird aus der Holzbox und einer Gedenktafel bestehen, auf der neben dem Geburts- und Todestag das Rezept für die Kekse festgehalten ist.

Es gibt noch weitere Beispiele für die ungewöhnliche Kunst von Oana Vainer: 2011 reiste sie wieder nach Bukarest.

Dort ist das Nationale Museum für Zeitgenössische Kunst im Seitenflügel eines bombastischen Baus untergebracht, den der frühere rumänische Präsident Nicolae Ceausescu als „Haus des Volkes“ erbauen ließ. Von den Bukarestern wurde es als „Haus des Sieges über das Volk“ verspottet. Schwanger und mit einem großen Küchenmesser in der Hand hat sich die rothaarige Künstlerin in den rechten Flügelhof des Gebäudes betätigt: Sie schnitt das wild gewachsene Gras vor dem gut gesicherten Palast einfach ab. Als Sicherheitsleute kamen – die Stelle war videoüberwacht – sagte sie, die Aktion sei abgestimmt gewesen, was auch teilweise stimmte. Mit einem Anhänger brachte sie das Gras in einen Galerieraum in der Bukarester Altstadt und feierte dort am Abend ihre Vernissage. „Es hat in der Galerie so gut gerochen“, erinnert sie sich.

„Kunst ist kein Hobby, das ist mein Beruf“

Ihre nächste Arbeit wird wieder anders. Diese hat aber auch – so wie die Feuer-Performance – mit Zerstörung zu tun: Auf dem Dachboden des Atelierhauses will sie ihre alten Keramikarbeiten auf den Boden fallen lassen – natürlich mit einer Videoaufzeichnung. „Zerstörung bringt auch Platz für etwas Neues“, sagt Oana Vainer. Für sie hat das nichts mit Wut oder negativen Gefühlen zu tun.

Derzeit bereitet sich die Künstlerin,die seit 2004 in Stuttgart leb, auf ihren Stipendienaufenthalt in Paris vor. Von 72 Bewerbern hat das Ministerium für Wissenschaft und Kunst im März sieben baden-württembergische Künstler ausgesucht, die im Mai 2014 für ein halbes Jahr in der Pariser Cité Internationale des Art verbringen dürfen. Oana Vainer ist eine davon. „Ich versuche nicht mehr, Kunst und Leben zu trennen“, sagt sie. „Kunst ist kein Hobby, das ist mein Beruf.“