Die Abberufung von Hans-Georg Maaßen kann nicht überraschen. Er geht nicht, weil er Merkel widersprach, sondern weil er sich – vielleicht unfreiwillig – zum Stichwortgeber für die Rechtsaußen machte, kommentiert Norbert Wallet.

Berlin - Nach zu langem Bedenken hat die Koalition am Dienstag nun doch die Abberufung von Hans-Georg Maaßen als Verfassungsschutzpräsidenten beschlossen: eine Entscheidung, die angemessen und unvermeidlich gewesen ist. Man mag darüber streiten, ob jeder einzelne der vielen Vorwürfe, die in den vergangenen Tagen und Wochen gegen Maaßen erhoben worden war, gut begründet gewesen ist. In einem ausschlaggebenden Punkt aber müssen alle übereinstimmen: Der oberste Verfassungsschützer hat auf breiter Front Vertrauen verspielt. Denn die politische Lage ist heikel. Die plurale und offene Gesellschaft sieht sich Angriffen extremistischer Feinde der Demokratie gegenüber, die tatbereite Unterstützung der gesellschaftlichen Mitte in Richtung eines desinteressierten Abwendens erodiert. In dieser Situation ist es unabdingbar, dass die Hüter der freiheitlichen Ordnung die Demokraten einen und nicht spalten. Das konnte Maaßen nicht mehr. Zuletzt stand er fast allein, nur noch einige Strömungen in CDU und CSU standen hinter ihm. Doch das ist jetzt zu wenig.

 

Er geht nicht wegen seines angeblichen zu kritischen Geistes

Dies zu betonen ist wichtig, denn längst hat sich ein Erklärungsmuster in den rechten Szenen etabliert, das Maaßen als Opfer des „Systems Merkels“ sieht. Er habe der Kanzlerin widersprochen und sei dafür bestraft worden. Das ist blühender Unsinn. Maaßen geht nicht wegen seines angeblichen kritischen Geistes. Zu einem Zeitpunkt, da in Chemnitz drastisch zu besichtigen war, wie schnell, organisiert und schlagkräftig der rechtsradikale Mob mobilisieren kann, erweckte er mit leichtfertigen Spekulationen den Eindruck, dass die eigentliche Gefahr gar nicht dort liege, sondern in einer „Instrumentalisierung“ durch – ja, durch wen? Durch Medien, durch Linke, durch Gutmenschen, durch ewig künstlich Aufgeregte – die Beschwichtiger mögen sich nach Vorliebe bedienen. Sie tun es längst. Dass sich ein Verfassungsschutzpräsident zum Stichwortgeber für diese Verharmlosungen macht, ist untragbar und der eigentliche Grund für die Notwendigkeit des Rücktritts. Dass er dafür nun auch eine Quasi-Beförderung erhält, ist – gelinde gesagt – eine Farce.

Und jetzt? Jetzt drängen sich zwei Fragen auf. Was wird aus Horst Seehofer und der Koalition? Und was wird aus der Behörde, der Maaßen vorstand?

Horst Seehofer ist in dieser Frage von Angela Merkel überspielt worden. Normalerweise wäre das für ihn Anlass genug, seinen Kleinkrieg wiederaufzunehmen. Er ist mittlerweile zu schwach dazu. Weil die CSU längst die Zeit nach ihm einläutet. Und weil die Sachlage zu eindeutig gegen ihn spricht, gegen ihn, der zu lange an Maaßen festhalten wollte. Am Machtkampf Merkel-Seehofer wird die Koalition nicht zerbrechen.

Das Amt braucht einen neuen Anfang

Aber das Amt muss neu strukturiert werden. Der Verfassungsschutz hat ohnehin spätestens seit seinem kläglichen Versagen beim Aufdecken des NSU-Terrors ein Akzeptanzproblem. Es gibt Stimmen, die die Frage aufwerfen, ob er nicht am besten ganz aufgelöst würde. Das aber wäre fahrlässig. Eine Behörde, die die Wehrhaftigkeit einer lebendigen Demokratie verstärkt, die die Gefahren erforscht und benennt, die eine immer engere Verflechtung von rechtem Populismus, Fremdenfeindlichkeit und offenem Rechtsradikalismus mit sich bringt, ist wichtiger denn je. Ein Verfassungsschutz, der Verschwörungstheorien entgegentritt, Extremisten auf allen Seiten des politischen Spektrums bekämpft, und der zudem das Gemeinwesen vor ausländischen Hackerangriffen auf unsere Infrastruktur und der Einflussnahme durch Fake-Propaganda schützt, wäre nicht nur wichtig, sondern ist geradezu unverzichtbar.

Aber auf diesem notwendigen neuen Start liegt schon jetzt ein Schatten durch die Art, wie dieser Maaßen-Abgang ausgestaltet wird. Er muss gehen – und wird Staatssekretär. Eine unverdiente Belohnung – wofür? Eine beschämende Halbherzigkeit.