Sie haben Stabilität in schwieriger Zeit versprochen, doch Union und SPD liefern nicht. Die Beförderung des untragbar gewordenen Verfassungsschutzpräsidenten ist dafür das jüngste Beispiel. So verliert diese Koalition ihre Existenzgrundlage, meint Parlamentskorrespondent Christopher Ziedler.

Berlin - Das muss dieser Regierung erst einmal jemand nachmachen: Sie löst ihre neuerliche Koalitionskrise mit einem Kompromiss, der die Krise noch verschärft. Jetzt ist nicht mehr die politische Einmischung des obersten Verfassungsschutzbeamten das Problem, die die Partner so unterschiedlich bewertet haben. Die Lösung, Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär im Innenministerium zu befördern, trägt Züge absurden Theaters und offenbart zusätzlich die eklatante Schwäche des Spitzenpersonals: Es reicht in der Politik eben nicht, dass jeder etwas bekommt – die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles Maaßens Ablösung und CSU-Chef Horst Seehofer dessen weitere Dienste. Am Ende muss schon ein tragfähiges Gesamtbild entstehen, das zu zeichnen offenbar auch Kanzlerin Angela Merkel nicht mehr die Kraft hat.

 

Eigentlich hätte der Mittwoch ein guter Tag für die Koalition sein müssen, besonders für die Sozialdemokraten. Das Bundeskabinett verabschiedete mit dem Gute-Kita-Gesetz ein Herzensanliegen und Wahlkampfversprechen der SPD – Familienministerin Franziska Giffey konnte gar mehr Milliarden locker machen als zuerst geplant, um die Qualität der Kindertagesstätten in den Ländern zu erhöhen und die Betreuungsgebühren zu senken. Auf den Weg gebracht wurde auch eine geringere Abgabenlast bei der Arbeitslosenversicherung und eine Weiterbildungsoffensive für Beschäftigte. Die lobenswerten Vorhaben sind in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch wieder einmal verpufft, da der permanente Krisenmodus dieser Koalition jede Sacharbeit in den Schatten stellt.

Das Vertrauen in Nahles schwindet

Besonders die SPD hat ein unheilvolles Talent entwickelt, ihre Anhängerschaft zu verstören. Gestartet mit dem ehrenwerten Ziel, im Kampf gegen den immer bedrohlicher wirkenden Rechtsextremismus Flagge zu zeigen und diesbezüglich keine Zweideutigkeiten an der Spitze des Verfassungsschutzes zuzulassen, haben die Genossen ein klassisches Eigentor geschossen: Maaßen mag, wie gefordert, weg sein, das Vertrauen in das Einfühlungsvermögen der Parteichefin ist es aber auch. Die Genossen mögen nämlich noch so sehr über einen rechtslastigen Innenminister und eine durchsetzungsschwache Kanzlerin klagen – es war Andrea Nahles, die der Beförderung als Teil des Kompromisspakets zugestimmt hat. Mehr Lohn für weniger Leistung, das ist einem sozialdemokratisch gesinnten Arbeitnehmer kaum zu erklären.

Zur Selbstzerstörung dieser Koalition tragen andere freilich genauso bei. Nicht zuletzt Seehofer muss sich ankreiden lassen, nach dem Asyl-Stresstest vor der Sommerpause nun mit der unabgesprochenen Parteinahme für Maaßen nach dessen Äußerungen zu Chemnitz die Sozialdemokraten provoziert zu haben. Es liegt kein Segen auf dieser Zusammenarbeit.

Es brodelt im Land

Ins Leben gerufen wurde die prozentual stark dezimierte Wiederauflage der großen Koalition aus staatspolitischer Verantwortung heraus. Nach dem Scheitern der schwarz-gelb-grünen Jamaika-Gespräche sollte Schwarz-Rot in schwieriger Zeit die Stabilität im bevölkerungsreichsten EU-Staat sichern helfen. Nun gilt auch eine angeschlagene Regierungschefin Merkel im Kreise der europäischen Kollegen noch immer als unangefochtene Nummer eins. Das Stabilitätsversprechen im Inneren löst die Bundesregierung aber nicht einmal im Ansatz ein. Es brodelt im Land, und von dem im Koalitionsvertrag versprochenen Aufbruch für Europa und mehr Zusammenhalt kann keine Rede sein. Diese Regierung hat ihre Existenzgrundlage verloren.

Was folgt daraus? Spätestens nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen muss eine nach vorn gerichtete Regierungslinie erkennbar werden – lange kann sich das Land eine solche Führung nicht mehr leisten. Sollten die Spitzen von CDU, CSU und SPD dazu nicht mehr fähig sein, sollten sie die Konsequenzen ziehen.