Der Stabwechsel von Horst Seehofer zu Markus Söder könnte sich auf das Binnenverhältnis von CDU und CSU stabilisierend auswirken, analysiert der Berlin-Korrespondent Norbert Wallet.

Berlin - Machtwechsel in der CSU sind immer auch politische Epochenbrüche. Diesmal allerdings, beim nun vereinbarten Stabwechsel von Horst Seehofer zu Markus Söder im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten, stellte das für die CSU desaströse Bundestagswahlergebnis den eigentlichen Epochenbruch dar. Angesichts eines Resultats, das die „Staatspartei“ auf 38,8 Prozent und damit zu einem ganz gewöhnlichen Mitbewerber um die Macht in München schrumpfen ließ, gab es auch für einen gewieften Überlebenskünstler wie Horst Seehofer keinen Weg mehr zum Verbleib im Amt. Zu nah liegt der für die Zukunft der CSU entscheidende Termin: die bayerischen Landtagswahlen im Herbst 2018.

 

Nun also die Entscheidung: Söder wird Regierungschef, Seehofer bleibt wohl Parteichef – und es ist gut möglich, dass er demnächst am Berliner Kabinettstisch einen Platz finden wird. Was in bayerischen CSU-Kreisen für Erleichterung sorgt, weckt in der Bundes-CDU durchaus Befürchtungen. Würde mit Seehofers Berliner Rochade der schwelende Dauerkonflikt zwischen CSU und CDU nicht geradezu in die Bundespolitik implantiert? Die Besorgnisse sind jedoch weitgehend unbegründet. Die Münchner Entwicklungen könnten sich sogar stabilisierend auf die Bundespolitik auswirken.

Die internen Ränkespiele müssen ein Ende haben

Das notorisch polternde Auftreten der CSU überdeckt nämlich allzu schnell ihren stockpragmatischen Kern. In der Partei weiß man um den Ernst der Lage: Mindestens bis zu den Landtagswahlen muss eiserne Disziplin herrschen. Die internen Ränkespiele müssen ein Ende haben. Das wissen auch Söder und Seehofer. Dieser zu erwartende Burgfrieden, mag er noch so zähneknirschend eingehalten werden, dürfte die Union auf Bundesebene stabilisieren. Denn die CSU wird wieder berechenbarer.

Ohnehin hat sich das fast schon zerrüttete Verhältnis zwischen CDU-Chefin Angela Merkel und Horst Seehofer zuletzt deutlich verbessert. Seehofer wusste zu schätzen, dass sich Merkel wenigstens nach der Bundestagswahl und vor den Jamaika-Sondierungen in der Flüchtlingsfrage auf die CSU zubewegt hat. Und Merkel musste feststellen, dass sich Seehofer in den Sondierungen im Vergleich zur FDP geradezu konstruktiv verhalten hatte.

Vor allem aber: Seehofer und Merkel gingen – eine erfolgreiche Regierungsbildung vorausgesetzt – mit Sicherheit in ihre letzte Legislaturperiode. Der ewige Politikertraum vom in Würde gestalteten Abgang könnte die beiden Konkurrenten zu echten Verbündeten machen. Im Übrigen verleiht diese Ausgangslage auch eine gewisse innere Unabhängigkeit, die immerhin die Hoffnung aufkeimen lässt, dass sich eine kommende unionsgeführte Bundesregierung zu ehrgeizigeren Projekten hinreißen lassen könnte, als lediglich die schwarze Null im Haushalt zu halten.

Verfällt Söder in alte Beißreflexe?

Natürlich gibt es auch Risiken. Wie würde sich der neue bayerische Ministerpräsident Markus Söder verhalten, wenn er vor der Landtagswahl im Herbst 2018 entdeckte, dass sich an der lamentablen Lage der CSU nichts geändert hat? Würde er sich daran erinnern, dass der scharfe Konfrontationskurs zur Berliner (Merkel-)Politik die AfD in Bayern zwar groß gemacht, der CSU aber keinerlei Nutzen gebracht hatte? Oder würde er in alte Beißreflexe verfallen?

Wird andererseits in der CDU irgendwann die Sehnsucht ausbrechen, sich die CSU als Beispiel zu nehmen und eine Trennung von Regierungsamt und Parteivorsitz vorzunehmen? Dann würde es an Angela Merkel sein, den Verlust an Einfluss als verantwortungsbewusste Gestaltung eines Übergangs darzustellen. Zuzutrauen wäre es ihr. Aber in ihrer Partei sitzt sie noch fester im Sattel als es einige partei-interne Kritiker wahrhaben wollen. Alles in allem braucht vor den Münchner Umwälzungen in Berlin niemand zu erschrecken.