Die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright wirbt beim „Stuttgarter Gespräch“ für transatlantischen Zusammenhalt. Sie sorgt sich um Trumps Kurs, blickt aber auch skeptisch auf den Zustand der EU.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Ihr Auftritt ist eine Art patriotisches Bekenntnis. Obwohl nur wenige ihrer Sätze wie ein loyales Bekenntnis zum obersten Repräsentanten ihres Heimatlandes klingen. Für die patriotische Anmutung sorgt ein kleines Detail. Madeleine Albright hat auch für ihr Gastspiel in Stuttgart eine ganz besondere Brosche gewählt. Mit solchen kleinen Accessoires hat sie im Verlauf ihrer diplomatischen Karriere schon manchen Staatsmann verunsichert. An diesem Donnerstag war die Brosche aus Gold. Sie zeigte einen Adler, das Wappentier der Vereinigten Staaten. So verlieh sie manchen despektierlichen Bemerkungen einen beinahe offiziellen Anstrich.

 

Tausend Leser der Stuttgarter Zeitung konnten an diesem Donnerstag mehr über Albrights Vorbehalte gegen Trump erfahren. Die ehemalige US-Außenministerin war zu Gast beim „Stuttgarter Gespräch“ im Hegelsaal der Liederhalle, das diese Zeitung gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung veranstaltet. StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs und Constanze Stelzenmüller, Robert Bosch Senior Fellow an der „Brookings Institution“, einer Denkfabrik in Washington, versuchten auszuloten, was Europa von Trump zu erwarten hat. Auch drei Schüler des Wagenburg-Gymnasiums durften Fragen an Albright stellen.

Keine Handlungsreisende in Sachen Hysterie

„Die Welt ist in einem Durcheinander“, hatte Albright schon vor Jahren beklagt. Angesichts der aktuellen Verhältnisse, gerade in den USA, sei dieser chaotische Befund noch eine „sehr diplomatische Ausdrucksweise“. Wegen Donald Trump sei die Welt „heute noch viel mehr durcheinander“. Albright versteht sich aber nicht als Handlungsreisende in Sachen Hysterie. Sie hatte auch beruhigende Botschaften im Gepäck. In Wahlkämpfen würden viele Dinge erzählt, die hinterher nicht zu realisieren seien, wenn die Kandidaten im Amt ankommen und dort lernten, welche Herausforderungen damit verbunden seien.

Trumps Start im Weißen Haus sei allerdings „keine große Erfolgsstory“ gewesen. Er habe vernünftige Leute in seinem Umfeld wie Verteidigungsminister James Mattis. Allerdings gebe es da auch den Einflüsterer Stephen Bannon, den Albright eher dämonisch ausmalte. „Ich halte ihn in der Tat für sehr gefährlich“, sagte sie. Er komme ihr manchmal vor „wie der Sensenmann“. Er pflege „schwierige Allianzen“ in die rechte Szene. Dass er Lenin bewundere und das auch ganz offen bekenne, sei „kein amerikanischer Ansatz“. Sie frage sich, ob es clever sei, solch einen Mann in den Nationalen Sicherheitsrat zu holen. „Er würde das mögen, dass ich im Ausland über ihn sage, er sei gefährlich“, sagte Albright. „Da ist er auch noch stolz drauf.“

EU-Politiker haben „nicht die Füße auf dem Boden“

Über den Präsidenten äußert sie sich vorsichtiger. Sie hält ihn für lernfähig. Er sei „ein cleverer Mann“. Je chaotischer die Welt erscheine, desto mehr verlange sie nach Führung. Führung sei dringend erforderlich, „aber nicht amerikanische Dominanz“. Amerika sei eine Führungsnation, „aber wir brauchen Partner“. Amerika sei groß genug, es müsse nicht groß werden, „schon gar nicht auf Kosten anderer“.

Albright ist nicht nur in Europa geboren. Sie kam 1937 in Prag zur Welt. „Im Herzen bin ich Europäerin“, sagt sie über sich. Ihr Urteil über den aktuellen Zustand Europas klingt dennoch finster. Trump ist mit seiner Europa-Skepsis nicht alleine in Amerika. Die Geografie der Zuständigkeiten in der Europäischen Union sehe für einen Amerikaner aus „wie eine sternenkundliche Karte“. Da hätten Leute das Sagen, „die nicht die Füße auf dem Boden haben“. Die Ordnung der EU stehe „auf einem Bein“, weil es keine gemeinsame Fiskalpolitik gebe. Trump sei mit seiner Kritik aber zu weit gegangen. „Wir fühlen uns auf beiden Seiten ein bisschen im Stich gelassen.“

Merkel ist für Albright „eine Heldin“

Der einzige Lichtblick scheint für sie die Kanzlerin zu sein. Sie bringe ihr „sehr hohen Respekt“ entgegen. Angesichts des Flüchtlingselends habe sie „Dinge getan, die einfach getan werden mussten“. Später wird sie regelrecht pathetisch: Merkel sei „eine Heldin“, bekräftigt sie. Dafür erntet Albright spontanen Beifall, auch für die Feststellung, dass andere Länder, besonders die USA, hier mehr helfen müssten.

Woher kommt die Unterstützung für Trump? Wovon nährt sich der Populismus? Bei diesen Fragen kann das Publikum Albright beim Denken zuschauen. Zwischen den Regierungen und den Menschen, die sie zu repräsentieren hätten, seien die Fäden abgerissen. Der Ärger auf die Eliten sei kein Hirngespinst, der Gesellschaftsvertrag „zerbrochen“. Die Bürger fühlten sich nicht mehr zur Loyalität verpflichtet, weil sie den Eindruck hätten, die Regierung erledige ihre Arbeit nicht. „Blockade wurde zu Politik“, sagt sie, „und Politik zur Blockade.“ Der technische Fortschritt habe „links und rechts im Straßengraben viele Verlierer“ hinterlassen. Viele Menschen hätten ihre Jobs verloren, aber sie hätten auch ein iPhone und seien sich der Widersprüchlichkeit ihrer Interessen nicht bewusst. „Wir zeigen immer auf Deutschland“, sagt Albright. Sie meint das Bildungssystem und hat dafür ein Kompliment: „Wie wenige da abgehängt werden!“

Hatem Abd El Lateef, einer der Schüler, kommt im Zwiegespräch mit der Politlady wieder auf ihre Symbolsprache mittels Schmuckstücken zu sprechen. Er will wissen, welche Brosche sie sich anstecken würde, wenn der Präsident sie einladen würde. Albright muss nicht lange überlegen: „Ich habe eine, die Donald Duck zeigt.“