Nur jeder vierte Gemeinderat ist weiblich. In Sachsenheim startet die SPD eine Initiaitve, das zu ändern. In Pleidelsheim liegt der Frauenanteil fast bei 50 Prozent. Woran liegt das?

Ludwigsburg - Das Thema lässt Peter Schreiber keine Ruhe. Der langjährige Sachsenheimer SPD-Gemeinderat, der 33 Jahre bei der Stadt Bietigheim-Bissingen angestellt war, ist mit dem Frauenanteil im Sachsenheimer Gemeinderat nicht zufrieden: Nur vier von 23 Räten sind weiblich. Ganz anders sieht es in Pleidelsheim aus: Dort sind sechs von 14 Gemeinderäten Frauen, in der vorigen Wahlperiode lag der Anteil sogar bei 50 Prozent.

 

Zwei extreme Beispiele, in den meisten anderen Kommunen liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Das Statistische Landesamt hat einen Frauenanteil in allen kommunalen Parlamenten im Land von 23,9Prozent seit der Wahl 2014 ermittelt. Immerhin ein leichter Anstieg, vor 30 Jahren waren es weniger als ein Zehntel. Landesweit den höchsten Frauenanteil haben übrigens die Fraktionen der Grünen (46 Prozent) und die SPD mit 37 Prozent, die CDU hat im Schnitt 19 und die FDP 16 Prozent Frauen in ihren Fraktionen.

Kaum weibliche Räte in Sachsenheim

Woher kommen diese Diskrepanzen? Beginnen wir mit der Kommune mit den wenigen weiblichen Entscheidungsträgern Der Sachsenheimer Peter Schreiber ist selbst etwas ratlos: „Wir stoßen bei der Suche nach Kandidaten immer wieder an Grenzen.“ Es sei der hohe zeitliche Aufwand, der Frauen oft abschrecke, oder die wenig familienfreundliche Sitzungszeit. Schreiber will daher schon jetzt, gut zwei Jahre vor der nächsten Kommunalwahl 2019, eine Initiative starten. „Wir wollen auf unserer Liste einen Frauenanteil von 50 Prozent erreichen“, gibt er als Ziel vor. Dazu sollen der SPD-Ortsverein und die Fraktion schon jetzt gezielt Frauen ansprechen. Und alle, die sich gewinnen lassen, auf der Liste nach vorne setzen. Das hat man allerdings schon in der Vergangenheit probiert – letztlich wurden aber trotzdem bekannte Männer nach vorne gewählt.

Immerhin haben die Genossen mit Helga Niehues eine Fraktionschefin – die wiederum drei Männern in der SPD-Gruppe gegenüber sitzt. Peter Schreiber hätte gerne mehr Frauenpower im Rat: „Frauen können in Diskussionen einen Ausgleich herstellen.“ Schreiber sieht ein großes Potenzial bei bereits engagierten Frauen, etwa Elternbeirätinnen: „Da ist es nur noch ein kleiner Schritt, auch zu kandidieren.“

Was ist in Pleidelsheim anders? Warum sind hier so viele Frauen im Rat, die sogar fast die Mehrheit stellen, mithin tonangebend sind? Inge Link, Stadträtin der Freien Wähler, hat dafür eine einfache Erklärung. „Die Diskussion um die Nordumfahrung hat polarisiert, viele Frauen haben sich in der Sache engagiert. Das hat zu zwei Effekten geführt: Viele Frauen wurden politisiert und waren motiviert, über das eine Thema hinaus am Ball zu bleiben. Zudem waren sie in der Öffentlichkeit bekannt durch ihren Einsatz – und wurden gewählt. Die Landwirtin Sigrid Wildermuth von der unabhängigen Wählervereinigung (WIR) sieht es so: „Vielleicht sind wir Frauen in Pleidelsheim etwas couragierter und machen auch mal den Mund auf.“

Frauen sind in Pleidelsheim eine Macht

Das Klima im Gemeinderat hat sich jedenfalls gebessert, so die Einschätzung von Ratsmitgliedern. Das liegt nicht nur am Frauenanteil, sondern auch daran, dass die Debatten um die Umgehungsstraße an Schärfe verloren haben. „Die Männer kommen jedenfalls mit uns zurecht“, sagt Inge Link und schmunzelt. „Wir Frauen sind ja auch eine ganz schöne Macht.“ Wobei es natürlich auch unterschiedliche Interessen gibt, eine feste „Frauenfraktion“ gibt es nicht. Aber sagt Inge Link: „Wir verstehen uns alle gut.“

Zurück zu Sachsenheim. Peter Schreiber ist mit seiner Initiative in seinen SPD-Ortsverband auf offene Ohren gestoßen. Immerhin waren von den 21 Bewerbern, die die SPD vor fünf Jahren für eine Kandidatur gewonnen hat, acht Frauen: „Die 50 Prozent haben wir noch nicht ganz erreicht.“ Vielleicht hilft es, eine Frauenliste zu gründen, wie in den 90er Jahren in vielen Kommunen? Auch darüber hat Peter Schreiber schon nachgedacht, als Provokation. Und den Gedanken verworfen. Ein Patentrezept hat er bislang nicht gefunden.