Gleich ein paar bekannte Märchen verknüpft sehr clever das Musical „Into the Woods“, dem Stephen Sondheim die Songs geliefert hat. Der Regisseur Rob Marshall macht daraus ein großes Kinovergnügen.

Stuttgart - Hei, da möchte man leben! Oder, hei, vielleicht lieber nicht? Ist der Märchenwald nun eine prima Nachbarschaft, der Garant für Romantik, Wunder und glückliche Wendungen? Oder ist er der ganz nahe herangerückte Horror, der düstere Beweis, dass das Glück in unserem Leben immer nur eine zarte, zerbrechliche Illusion ist und der kleinste Schritt aus dem Selbstbetrug hinaus unter hungrige Wölfe, intrigante Hexen und tobsüchtige Riesen führt? Der Beginn des sehr originellen Kinomusicals „Into the Woods“ lässt zunächst beide Interpretationen zu.

 

Eine ganze Schar Figuren wird uns hier singend vorgestellt, unter anderem der Bäcker (James Corden) und seine Frau (Emily Blunt), die gerne endlich ein Kind hätten, das Rotkäppchen (Lilla Crawford), das einen Krankenbesuch absolvieren muss, und das arme Aschenbrödel (Anna Kendrick), das wie eh und je von der bösen Stiefmutter und den fiesen Stiefschwestern tyrannisiert wird. Alle haben sie das Titellied „Into the Woods“ auf den Lippen, und der Regisseur Rob Marshall begeht nicht den Fehler, in die Arbeit des Autors James Lapine und des Komponisten Stephen Sondheim zusätzliche Dialoge einzufügen. Die gesamte Exposition findet singend statt, und man wünscht sich, der Film werde diesen Hochseilakt durchhalten.

Mythenforschung mit Witz

„Into the Woods“ hat seine Premiere 1986 erlebt, aber die späte Verfilmung wirkt völlig zeitgemäß. Denn nicht erst seit Disneys Megaerfolg „Die Eiskönigin“ ist ein neuer Blick auf die Welt der alten Märchen im Kino erwünscht. Die „Shrek“-Reihe und deren zahlreiche Imitatoren haben bewiesen, dass wir noch nicht fertig sind mit den alten Figuren und Geschichten. Marshalls Leinwandmusical macht bald klar, dass es hier nicht um die inflationäre Verheizung vertrauter Motive geht, sondern dass hier auf witzige Weise Mythenforschung betrieben wird. Kein Wunder, schon das Bühnenstück machte kein Geheimnis daraus, dass es sich auf die Märchenanalysen des Kinderpsychologen Bruno Bettelheim bezog.

Dass nun ausgerechnet die Disney-Studios, denen zu Unrecht der Ruf anhängt, mit Märchenstoffen nur kitschig und naiv umzugehen, „Into the Woods“ ins Kino bringen, lässt einen umso gespannter jede Wendung verfolgen: wie viel Cleverness, Frechheit und Düsternis wird zugelassen sein, und wie viel oberflächliche Heiterkeit muss sein?