Filigrane Perlenbänder und Blumenampeln aus Makramee sind zurück. Wir zeigen, wie die Klassiker aus den 70ern und 80ern heute aussehen.

Stuttgart - Glück in Gläsern: Mädchen, die in den 80ern in Stuttgart Teenager waren, erinnern sich noch an das Riwolli in der Calwer Passage. Dort gab es Perlen in allen Größen, Farben und Formen in Weckgläsern. „Du darfst dir zwei aussuchen, aber keine für drei Mark“: An diesen Satz ihrer Mutter erinnert sich Bettina von Gillhaußen noch sehr gut. Heute ist sie Besitzerin einer ganzen Perlenwand, denn sie führt das Bastelgeschäft, das ihre Mutter gegründet hat. Ihr Stempellädle am Löwen-Markt im Stadtbezirk Weilimdorf hatte Perlen schon immer im Sortiment – aber im Moment sind diese vermehrt nachgefragt.

 

Der Verkaufsschlager sind „viereckige Buchstabenperlen, wie man sie früher bei den Babyarmkettchen hatte“, sagt Bettina von Gillhaußen. Allerdings nicht für Babys, sondern für modebewusste Teenager, die auf individuelle Namensarmbänder stehen. „Es darf schon quietschbunt sein, auch gerne neon, aber immer harmonisch aufeinander abgestimmt.“

Voll im Vintage-Trend

Oft werden Funde wie die Döschen vom Kindergeburtstag vor zehn Jahren mit neuen Perlen gemischt. Dieses „Upcycling“, also die Wiederverwertung von Materialien, liegt wiederum voll im Vintage-Trend, der bei der Mode begonnen hat und nach wie vor andauert. Auch die Lust am Basteln, die im ersten Corona-Lockdown im vergangenen Jahr ausgebrochen ist, hält an. „Die Leute sind sehr viel kreativer geworden. Und wenn etwas gelingt, dann bleiben die meisten dabei“, erklärt Bettina von Gillhaußen. Zumal ja Freizeitaktivitäten wie ins Freibad gehen immer noch eingeschränkt seien, ergänzt Petra Buhl-Brandtner. Sie führt in dritter Generation jenes Unternehmen, das viele Stuttgarter noch als „Leisten-Buhl“ kennen. Das 1949 gegründete Traditionsgeschäft in der Innenstadt ist Geschichte, aber in Filderstadt-Bonlanden lebt der Name Buhl als Fachgeschäft für Basteln, Schreibwaren und Dekoration weiter. Und auch hier wird zurzeit viel Zubehör fürs Kettenfädeln gekauft: Perlen, natürlich, aber auch Stretchgummibänder und Verschlüsse. Sobald die T-Shirt-Ärmel kürzer werden, beginnt die Perlensaison, sagt die Expertin. Perlen seien nie ganz „weg“ gewesen.

Knüpftechnik neu entdeckt

Anders der Sommertrend Nummer zwei: Makramee. Die Knüpftechnik, die jeder Schüler in den 70er- und 80er-Jahren unweigerlich lernen musste, war viele Jahre völlig in Vergessenheit geraten. Längst sind die Eulen mit den großen Holzperlenaugen und die Blumenampeln mit den zu Spiralen gedrehten Aufhängungen von Wänden und Decken aus dem Alltag verschwunden. Aber plötzlich ist Makramee wieder „in“, das bestätigt Petra Buhl-Brandtner.

Nur sind die Garne heute nicht mehr dunkelbraun oder orange, sondern entweder naturfarben oder in Pastelltönen gefärbt wie Mint, Zitronengelb oder Rosa. Zur Erinnerung: Geknüpft wird, indem man den Faden über einen Mittelstrang legt und dann entweder rechts oder links verknotet. „Das“, betont Bastel-Fachfrau Petra Buhl-Brandnter, „ist ein gutes Training für die Gehirnhälften.“

Boho-Style als Auslöser

Anleitungen und Makramee-Bastelsets gibt der Frech-Verlag in Weilimdorf heraus. Auch hier spricht man von einer Renaissance. 1975 erschien das erste Buch zum Thema, 2019 dann die Neuauflage „New Makramee“, und voriges Jahr kam der Trend laut dem Verlag so richtig in Fahrt. Wer „Makramee“ in das Suchfeld des aktuellen „Topp“-Sortiments eingibt, erhält rund 40 Treffer. Allein in diesem August und September werden acht neue Titel erscheinen.

Der Auslöser des Makramee-Revivals ist der „Boho-Style“ oder „Boheminan Chic“ beim Wohnen. Er umschreibt den aktuellen Einrichtungstrend , der vor allem auf Naturmaterialien setzt und bei den Wohnaccessoires aus dem Vollen schöpft: zum Beispiel Teppiche im marokkanischen Stil, Kissenlandschaften im Mustermix, große Zimmerpflanzen – und Wandbehänge. Hier kommt Makramee ins Spiel ebenso wie bei Girlanden für den Balkon, Windlichtverzierungen und Retro-Style-Blumenampeln. Die guten alten Bastelarbeiten werden heute übrigens „Projekte“ genannt.