Eine Biografie schildert das Leben des legendären Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel. Es ist die erste umfassende Lebensbeschreibung überhaupt.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Wird Fritz Kuhn seinem Amt gewachsen sein? Das ist die Frage, die sich eine Woche nach der Stichwahl viele Menschen stellen dürften. Solche Skepsis hat auch in anderen Fällen geherrscht, bei denen es nicht unbedingt vermutet wird. Die Rede ist von Manfred Rommel, dem überaus populären Alt-Oberbürgermeister. In der ersten großen Biografie, die jetzt erschienen ist, widmet sich ein Kapitel auch den Anfängen des heute 83-Jährigen als Stadtoberhaupt Stuttgarts – und dem Umstand, dass sich die Granden der Union mit ihrer Entscheidung für Rommel als Kandidaten „zunächst selbst das Fürchten lehrten“. Dessen Auftritte seien ein regelrechtes Desaster gewesen, schreibt der Autor Josef Schunder, verbunden mit dem Hinweis, dass Rommel selbst später die Malaise treffend auf den Punkt brachte: Seine eigenen Anhänger seien überwiegend erschüttert gewesen. Einzig sein Freund, der langjährige Kultus- und Finanzminister und CDU-Kreischef Gerhard Mayer-Vorfelder, habe das Vertrauen in ihn nicht verloren.

 

Schon diese Episode sagt viel aus über den Menschen Manfred Rommel, der die Wahl 1974 dann doch mit Bravour gewonnen hat – und die Geschicke der Landeshauptstadt mehr als 20 Jahre lang lenken sollte. Geistreich und knitz und ausgestattet mit der Gabe, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, führte er sein Amt; dennoch tat er dies mit großem politischem Geschick und der nötigen Klarheit. Versprechungen habe er immer abgelehnt, so Schunder. Er verlangte von sich den „Mut zur Wahrheit“ und stellte in Anzeigen klar: „Gelddrucken kann ich auch nicht.“

Ein journalistischer Wegbegleiter des Alt-OB

Solche Hinweise sind es, die – wie Perlen aneinander gereiht – am Ende den Aufstieg Rommels zu einem der beliebtesten Vertreter seiner Zunft erklären. Dabei ist Josef Schunder tief in die Archive gestiegen, profitiert aber maßgeblich davon, jahrelang ein journalistischer Wegbegleiter des Alt-Oberbürgermeisters gewesen zu sein. Das sorgt für Authentizität, wenn etwa Rommels Gestik beschrieben wird: „Typisch, wie er die Hände vor seinem Kinn faltet. Nicht um zu beten, sondern um sich so mit dem kurzen unterstützenden Neigen des Kopfes zu bedanken für Aufmerksamkeit und Beifall. Ein bisschen fernöstlich.“

Der Verfasser ist stellvertretender Lokalchef der „Stuttgarter Nachrichten“ und vor allem ein profunder Kenner der kommunalpolitischen Szene. Rommel hat er sechs Jahre lang noch im Amt erlebt, hat große Interviews mit ihm geführt – und nach dessen Abschied aus dem Rathaus den Kontakt gehalten. Und so gelingt es Schunder, ein zwar von Sympathie gezeichnetes, aber nicht verklärendes Bild des Mannes zu zeichnen, dessen Lebenslauf so viele spannende Momente enthält.

Das Trauma seines Lebens: der Tod des Vaters

Geboren wurde Manfred Rommel am Heiligen Abend des Jahres 1928 in der Landhausstraße 122 im Stuttgarter Osten: als Sohn von Lucie Maria und Erwin, dem späteren Generalfeldmarschall. Der Beruf des Vaters brachte es mit sich, dass die Familie häufig umziehen musste und Manfred an verschiedenen Orten aufwuchs: in Herrlingen bei Ulm, in Berlin und in der Wiener Neustadt. Und doch war es ein anderes, ein existenzielles und traumatisches Ereignis, das Manfred Rommel für den Rest seines Lebens prägte. Es war der 14. Oktober 1944, als Sendboten des Diktators Adolf Hitler seinen Vater, den zuvor in Frankreich schwer verwundeten „Wüstenfuchs“ und Befehlshaber des Afrikakorps, zwangen, sich wegen Verbindungen zum Widerstand mit Gift selbst das Leben zu nehmen. Manfred war 15 Jahre alt.

Es ist diese Tragödie gewesen, die maßgeblich seine Haltung geprägt hat und ohne die der Mensch Rommel nicht zu erklären ist. Ein tief demokratisches Verständnis und eine große Liberalität, Toleranz und Offenheit – das sind seine Markenzeichen gewesen, die sich irgendwann auch mit dem Image der Landeshauptstadt verbunden haben. Sinnbildlich dafür steht unter anderem eine „versöhnliche Geste in Zeiten des Terrorismus“, wie Schunder das nennt: Rommels Entscheidung, den RAF-Führern Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe auf dem Dornhaldenfriedhof ein Begräbnis zu gewähren. „Im Tode endet jede Feindschaft“, sagte er.

Filbinger drängte ihn zur Kandidatur

Das war 1977 – und er war damals kaum drei Jahre im Amt. Nach dem Abitur in Biberach hatte Rommel in Tübingen Jura und Staatswissenschaften studiert. 1953 war er in die CDU eingetreten und verdingte sich schließlich beim Land, bei dem er eine steile Karriere hinlegte und es bis zum Staatssekretär im Finanzministerium brachte. Der damalige Ministerpräsident Hans Filbinger war es schließlich, der ihn nach dem überraschenden Tod von Oberbürgermeister Arnulf Klett drängte, sich um das zweitwichtigste Amt im Land zu bewerben. Und niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass Rommel alsbald für mehr als zwei Jahrzehnte lang auf dem Chefsessel im Rathaus Platz nehmen würde.

Viel hat er in dieser Zeit bewegt, die Josef Schunder minutiös nachzeichnet. Da geht es beispielsweise um den Finanzpolitiker Rommel, der die Kassenlage stets im Blick hatte. „Sparen heißt, Geld, das man hat, nicht auszugeben – und nicht Geld nicht auszugeben, das man nicht hat“, lautete sein Credo. In Rommels Ära rühmte sich Stuttgart noch zumindest als „heimliche Sporthauptstadt“ Deutschlands, und auch die kulturelle Vielfalt hat der Alt-OB nach Kräften gefördert. Vor allem aber hat er immer wieder auch in kritischen Situationen die richtigen Worte gefunden. 1989 beispielsweise, als auf der Gaisburger Brücke ein wirrer Asylbewerber aus Kamerun zwei Polizisten tötete, beugte er aufkeimender Fremdenfeindlichkeit persönlich vor. „Es hätte auch ein Weißer sein können“, sagte Rommel bei der Trauerfeier in der Domkirche St. Eberhard: „Es hätte auch ein Schwabe sein können. Und wir sollten unserer Trauer dadurch Würde geben, dass wir nicht generalisieren.“

Viel Freiraum für die Mitarbeiter

Schunder lässt keine wichtige Station aus, beschreibt Rommels hohe Affinität zu Querdenkern und Querköpfen wie etwa dem Remstalrebellen Helmut Palmer, beleuchtet seine Rolle als Geburtshelfer von Stuttgart 21 und sein Ziel, die Region Stuttgart politisch stärker zusammen zu schweißen. Dem ganz eigenen Führungsstil Rommels, der den Mitarbeitern sehr viel Freiraum ließ und Respekt entgegenbrachte, sind größere Passagen gewidmet.

Und nicht ausgespart wird auch, dass der gewiefte Politstratege bisweilen nicht unumstritten war und mit dem Gemeinderat, aber gerne auch den Ministerpräsidenten des Landes manchen Strauß ausfocht. „Wer jedermanns Liebling sein will“, sagte er, „wird zu jedermanns Dackel.“

Versöhnung von Politik und Humor

In solchen Sätzen wiederum spiegelt sich eine besondere Stärke Rommels. Er habe es wie kaum ein anderer verstanden, die feindlichen Welten der Politik und des Humors zu versöhnen, wie der Münchner OB Christian Ude im Vorwort schreibt. Als Beleg dient ihm der Dichter Rommel mit einem für dieses Selbstverständnis möglicherweise exemplarischen Spruch: „Des Bürgermeisters täglich Brot, ist und bleibt der Hundekot“. Was mit biblischer Wortgewalt anhebt, betont am Ende lakonisch das Geworfensein des Kommunalpolitikers auf die alltägliche Banalität. Man könne den Stuttgartern nur wünschen, meint Ude, „dass Rommels Geist der heiteren Gelassenheit in ihrer Stadt wieder einziehen möge“. Und dem ist nichts hinzuzufügen.